Sonntag, 18. Juli 2010

Glaubwürdigkeit

Auf Bayern alpha lief neulich ein Film über die Geschichte der Päpste. Der Moderator sagte (und ich stimme zu), die Verurteilung Galileis im 17. Jahrhundert sei Symbol geworden für den Bruch zwischen Glaube und Wissenschaft - dazu fiel mir ein:

Johannes Paul II. hat mit seiner Zurücknahme der Verurteilung Galileis eine neue Epoche vatikanischer Lehre eingeleitet. Den Ernst seiner Absicht unterstrich er mit der Enzyklika Fides et Ratio. "Vernunft und Glaube" hat dann sein Nachfolger die "Regensburger Rede" betitelt und nannte eine seiner Enzykliken "Caritas in Veritate". Auf die Wahrheit kommt es an!

Beide, sowohl Karol Wojtyla wie Josef Ratzinger, hatten in Jugend und Mannesalter einen persönlichen Eindruck von Nationalsozialismus und Stalinismus gewonnen: von fürchterlichen Konsequenzen einer Aufklärung nämlich, die sich von christlichen und humanistischen Prägungen abkoppelt.

Über die haarsträubenden Konsequenzen eines Glaubens, der sich von der Vernunft abkoppelt, waren sie durch die Kirchengeschichte belehrt.

Beide miteinander, Johannes Paul II. und sein Nachfolger Benedikt XVI., haben eine Epochenwende in der katholischen Lehre eingeleitet - nicht schon herbei geführt, aber mit allem Nachdruck begonnen! Ein enormer Modernisierungsschub geht seither von Rom aus. Niemand scheint das so recht zu beachten! Als lesender Christ frage ich nach den Gründen!

Seit 1500 Jahren ist es Kirchenlehre, dass das Wort Fleisch geworden ist. Gott war unter uns in einem Menschenkörper. Dass er sich unseren Freuden und Leiden, unserer Schuldfähigkeit sogar ausgesetzt hat, scheint mir das gewaltige Herz der christlichen Lehre zu sein. "Ich bin bei euch".

Menschenkörper sind mit Triebanlagen ausgestattet, die wir zu kultivieren haben. Sie gar nicht zu leben ist unmöglich. Auch Gottes Sohn, während er als Mensch unsereiner sein wollte und es tatsächlich war, musste mit seinen Triebanlagen kultivierend umgehen, sie "bewältigen". Wie hat er seine Sexualität bewältigt?

Die Evangelisten schweigen sich darüber aus. Es könnte mehrere Gründe haben. Heutzutage aber erweist es sich als unheilvoll, dass die Kirche Jesu Sexualität niemals erwähnt und dieses Thema nicht berührt. Man könnte auch sagen, davor zurückschreckt. Kann es sein, dass die Kirche einen undurchschauten Rest gnostischer Irrlehre mit sich herumschleppt?

Das Wort ist Fleisch geworden, kein Strahlenmännchen, keineswegs blosse Aura. So jedenfalls verstehe ich die Konzilien seit Nicäa.

Ich will keine neue Theologie oder gar Häresie begründen, dazu habe ich als Laie nicht die Vorbildung. Aber ich möchte als lesender und denkender Christ die Diskussion über solche Themen anstossen.

Ich bin der Meinung, die von mir angesprochenen Themen: Evolution (Darwin) und Psychologie (von Freud an), sowie Ethologie (Lorenz, Eibesfeldt) drängen uns Fragen auf, denen auszuweichen nur um den Preis der Glaubwürdigkeit gelingt - also misslingen müsste.

Es würde träge gewordene Gläubige wie ratlose Glaubenwollende mit einem Schlag ins lebhafteste Gespräch miteinander bringen - stimmts?