tag:blogger.com,1999:blog-37895575314068759142024-02-08T04:59:14.693-08:00Freie Presse Mike & Co.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.comBlogger31125tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-23302214732723168402012-04-26T00:36:00.002-07:002012-04-26T00:36:49.436-07:00LeserbriefJoseph Joffes Betrachtungen
vom 19. 04. 2012
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen vom Handelsblatt!
Als ich den heutigen Kommentar von JJ auf der letzten Seite Ihrer von mir überaus geschätzten Zeitung las, fiel mir etwas ein. Und zwar der Leitartikel, den JJ zu Beginn des Irakkriegs in der ZEIT veröffentlichte. Sinngemäss hat JJ damals erklärt, dass Deutschland die Schande, sich NICHT an der Kriegskoalition gegen Irak beteiligt zu haben, in vielen Jahren nicht gutmachen werde.
Realpolitik konnte damals freilich argumentieren, dass Deutschland ohne die Bündnispartner USA und England (ohne "den Westen") auf einem gefährlichen Sonderweg sei. JJ deutete überdies ein moralisches Versagen an, das er der Regierung Schröder/ Fischer in schroffer Form vorwarf.
Hinterher sind wir schlauer. Es gab keine WMDs im Irak. Neben dem erwünschten Resultat, der Eliminierung eines der Grausamkeit fähigen Diktators, traten unerwünschte Kosequenzen ein.
Die Vernichtung der Streitkräfte des Irak machte den Iran zur regionalen schhiitischen Dominante. Eine schiitische Brücke vom Iran über Irak und Syrien bis in den Libanon realisiert sich in unseren Tagen. Diese Allianz zwingt die Sunniten ihrerseits zu einem Zusammenschluss: Die Türkei baut vor unseren Augen ihr altes Kalifat wieder auf.
Zwei gigantische Machtblöcke marschieren gegeneinander auf. Dazwischen das kleine Israel, das von keinem dieser Machtblöcke Unterstützung zu erwarten hat.
Realpolitisch lag wohl Joschka Fischer so ganz falsch nicht, als er Colin Powell in der UNO sein berühmtes "I am not convinced" entgegen schleuderte.
Dennoch hat Ihr Gastautor JJ bis heute niemals (soweit ich weiss) ein Wort der Selbstkritik geäussert; und in dem heutigen Leitartikel schmäht er Joschka Fischer neuerdings: Als zynischen Heuchler.
Ist es so, wie ich sage? Habe ich recht oder unrecht?
Mit einem freundlichem Gruss von Ihrem Sie hochachtenden und hochschätzenden Leser -
Michael MolsnerMikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-88042504041640061882012-01-13T01:11:00.000-08:002012-01-13T01:18:54.468-08:00Vor 35 Jahren Tod eines UnsterblichenDer KING und ich<br />Von Michael Molsner<br /><br />Wer die Lehrjahre des Gefühls in den 50er und 60er Jahren absolvierte, ist von Elvis mehr oder weniger geprägt oder mitgeprägt. Wir verdanken ihm mehr als seine Musik. Er hat eine Schneise geschlagen, die uns Ziele jenseits kleinbürgerlicher Vergatterung erreichbar erscheinen ließ. <br /><br /><br /> Pardon me if I’m sentimental. Zur Scheidung wollte ich „ihr“ ein besonderes Geschenk machen. Mich durfte sie in ihrem neuen Leben vergessen. Die Gemeinsamkeiten der fast vierzehn Jahre aber, die wir miteinander verbracht hatten, sollten sie als Kraftquell begleiten. <br />Ich lebte damals, schon allein, in München. Einige Nachmittage verbrachte ich damit, die Schaufensterauslagen der Innenstadt abzusuchen. Schließlich kaufte ich zwei LPs mit Songs, die Elvis Presley in den Sun-Studios von Memphis/ Tennessee aufgenommen hatte. <br />Sagt nicht Bob Dylan irgendwo, die frühen Songs von Elvis zu hören sei wie ein Ausbruch aus dem Knast gewesen? Den Ausbruch hatten wir zustande gebracht, sie und ich. Wir hatten uns aus dem Knast deutschen Spießertums freigekämpft. <br />„Das ist es, was unsere Generation geleistet hat“, sagte ich, als ich ihr das Geschenk gab. „Halte es in Ehren.“ Diesen Kommentar hatte ich mir vorher nicht überlegt. Sie sah mich erstaunt an. Ich war selbst erstaunt. Die spontane Aussage stimmte mit meinem Gefühl überein. Etwas von unserer gemeinsamen Zeit sollte ihr bleiben und nicht verloren gehen. Das war mein Wunsch. Deshalb hatte ich mich für die LPs entschieden.<br /><br />I wanna play house with you. In das Zusammenleben mit der Frau, die seither mein Leben teilt, wollte ich denkwürdig einsteigen. Beide hatten wir London noch nicht gesehen. Eine Woche London! <br />Eines Nachmittags besuchten wir das Grab von Karl Marx, eines Abends „Elvis“ – das Musical. <br />Auf dem Friedhof von Highgate konnten wir das Familiengrab zunächst nicht finden, ratlos und ärgerlich standen wir vor einem verschlossenen Gitter – bis ein freundlicher Gärtner uns belehrte, Karl Marx sei „in the republican sector of the cemetery“ begraben, vergittert sei nur „the feudal sector“. Erheitert orientierten wir uns um und erreichten endlich das bekannte Monument. <br />Abends in Soho erlebten wir den beinah unglaubhaft guten, damals noch kaum bekannten Shakin’ Stevens in der Hauptrolle des mittleren Elvis (es gab noch je einen Darsteller für den jugendlichen und einen für den späten Elvis). Der Regisseur ließ den wie unter Starkstrom agierenden „Shakin“ aus dem Boden der Bühne aufsteigen: rauchumhüllt, scheinbar direkt aus dem Orkus oder, wer weiß, aus der Hölle kommend! <br />Durch den Gag wurde überdeutlich, daß der Bruch mit Althergebrachtem, die Devianz, kulturstiftend ist. Wäre unsere Weltbewegung, die der akademischen Jugend von 1968, möglich gewesen ohne den Rock ‚n’ Roll der arbeitenden Jugend von 1954? <br />Das war so eine der Fragen, die wir aufgeregt in der Pause diskutierten.<br /><br />Jailhouse Rock. Vor zehn Jahren nutzten wir eine Einladung ins Funkhaus Baden-Baden, um einige uns noch unbekannt gebliebene Denkmale der Revolution anzusteuern. Vermutlich wollten wir uns versichern, daß sie nicht, wie der Mainstream behauptete, versandet war – daß der große Maulwurf, wenn auch unmerklich, irgendwo unter unsern Schuhsohlen weiterwühlte. <br />Nachmittags standen wir in Assmannshausen vor einer Gedenktafel für Freiligrath, den 48er. Kennt man diesen Kollegen noch? „Deutschland ist Hamlet! – Ernst und stumm/ In seinen Toren jede Nacht/ Geht die begrabne Freiheit um/ Und winkt den Männern auf der Wacht...“ Im Vormärz geschrieben, 1844. Hamlet sieht das arme Gespenst, doch er zögert, es zu begrüßen. Vier Jahre später hat er zurückgewunken.<br />In Bad Nauheim standen wir am 20. Mai 1992 vor dem Haus, wo Elvis während des größten Teils seiner Militärdienstzeit wohnte. So einfach, so bescheiden hatte er es gehabt? Da glitzert und gleißt überhaupt nichts. Keine Villa. Ein Einfamilienhaus.<br />Das Haus ist Schauplatz des Kriminalromans KING, den Martin Schüller zum 25. Todestag im Kölner Emons Verlag herausbringt.<br />Im Jahr 1959, in dem der Roman spielt und Elvis hier wohnte, bereitete ich mich in München aufs Abitur vor, und die Frau, die in Bad Nauheim an meiner Seite stand, paukte im Duisburger Frau-Rath-Goethe-Gymnasium den Lehrstoff der Untertertia durch. Damals standen täglich zwanzig, dreißig, vierzig Mädchen in ihrem Alter und einige Jahre darüber da und warteten auf jenen besonderen „private“ der US Army, der alles andere war als privat: ein Weltstar bereits. <br />Und mehr als das. Er verkörperte eine rebellische Präsenz wie später Dutschke (der mit seinen Ideen weniger Aufsehen erregt hat als durch Auftreten, Aktionen und Erscheinung). <br /><br />Shake, Rattle and Roll. Elvis in Bad Nauheim, das ist der Frosch im Bett der Prinzessin, das materialisierte Oxymoron, „a tarantula on a slice of angel food“ (Raymond Chandler). Als Sänger zersetzte er die Position der Rassisten, indem er ihren Kindern Negermusik verkaufte. Als gelernter Lastwagenfahrer erschütterte er den Überlegenheitsdünkel des Mittelstands, indem er gesellschaftliche Trends zu setzen wagte. Als ein betont junger Mann machte er die Autoritätsanmaßung der Senioren lächerlich, indem er sich halbstark frisierte, attraktiv anzog, frivol bewegte. <br />Hier in Deutschland war sein Angriff auf die ideologischen Positionen der Eltern und Großeltern von besonderer Bedeutung und Brisanz. Diese zwei Generationen hatten das Dritte Reich getragen oder ertragen. Dessen Imperialismus war nicht nur gescheitert, er war zuschanden geworden. Die Verwirklichung von Hitlers Zielsetzungen hatte aus Europa ein Trümmerfeld gemacht, materiell und moralisch. <br />Es waren unglaubwürdige Generationen. Wer sich von denen führen lassen wollte, sich ihnen gar zutraulich zu späterer Verwendung überließ, war bestochen oder bescheuert. Irgendwann hatte jemand auftreten müssen, der dagegen rebellierte. Unter denen, die es wagten, war Elvis 1959 der auffälligste. Er machte Bad Nauheim zur Weltbühne – in allerhöflichstem Ton. Yes Sir, Ma’am! sagte er und übertrat ansonsten alle Verbote, die in dem Kaff galten. <br /><br />Got a lot o’ livin’ to do. “…refusing barriers – musical, racial, class – is what Elvis' best music is all about.” Das las ich dieser Tage bei dem amerikanischen Journalisten Charles Taylor. Im Roman wird herausgearbeitet, wie verzweifelt die Angegriffenen ihre Lebenslügen gegen diesen GI zu verteidigen versuchten. „Hottentottengetöse“ nennt der ermittelnde Kriminalkommissar die Musik. „...ich will dieses Negergeheul nicht“, fährt er seinen Sohn an, den er für abartig hält. „Zum wohl hundertsten Mal rechnete er an der Zeitspanne zwischen seinem Fronturlaub und Hans-Gerds Geburt herum. Sie kam ihm wie immer zu lang vor...“ Kein Fleisch von meinem Fleisch, meint er anscheinend. Und er ist einer der netten Deutschen! Ein Lichtblick in der Finsternis der Provinz. <br />Dem Ärger der Spießer trotzend, stellen sich junge Mädchen ans Gartentor des Hauses Goethestraße 14. Sie sind unter großen persönlichen Opfern gekommen, „aus einem Dorf bei Hannover. Eine Tante hat ihnen Arbeit in der Reifenfabrik besorgt.“ Dem Autor gelingt mit Katharina das einfühlsame Porträt eines Teenagers jener Zeit. Weder sie noch ihre Freundin Renate werden in diesem Roman denunziert. Gänse? So hätten die Spießer sie gern, um recht zu behalten. Allenfalls könnte man an die Gänse des Kapitols denken, die vor Gefahr warnen, denn eine Gefahr ist dieser junge Mann – für deutschnationale Honoratioren. „Uns hat man noch beigebracht, wie man sich zu benehmen hat.“ „Man kann sagen, was man will, aber in der HJ hat man wenigstens gelernt, was Disziplin ist.“ Damit ist es vorbei.<br />Übrigens wird auch der fortschrittliche, Sartre lesende Bildungsphilister nicht geschont. Ich habe beschämt gelächelt. Mehr oder weniger eingebildet auf unsere Bildung waren wir Oberschüler damals so ziemlich alle.<br /><br />Got a lot o’ lovin’ to do. Im Zentrum der Handlung: Elvis, nicht weniger sensibel nachempfunden als die Mädchen. Ich meinte beim Lesen, ich stünde neben ihm und könnte ihn anfassen – was man aber natürlich nicht täte und nicht getan hat. <br />„Presley schrieb geduldig seinen Namen auf alles, was ihm entgegen gestreckt wurde: Fotos, Zeitschriften, Schallplatten. Bei Katharina und Renate blieb er etwas länger stehen, er sprach mit ihnen, sie zeigten ihm etwas aus Renates Mappe, und sie bekamen ein Autogramm darauf, dann küßte er beide auf die Wange. Als er sich dem nächsten Fan zuwandte, fiel Renate Katharína um den Hals, ihr Oberkörper wurde von Schluchzen geschüttelt. Katharina strich ihr sanft über den Rücken, aber Renate beruhigte sich nicht.“ <br />Das ist aus der Perspektive eines CIA-Teams erzählt, der Gruppe KING, die das Geschehen vom Auto aus observiert und so heißt, weil sie den King vor Anschlägen schützen soll. <br />„Wo ist er hin?“ fragte Foster wieder. <br />„Ein Lichtstrahl kam aus den Wolken, und er ist zum Himmel aufgefahren. Zu schade, daß Ihnen die Sicht versperrt war.“<br />Summers suchte nach einer bequemeren Sitzposition. „Er ist wieder im Haus“, sagte er.<br />Der eigenartigste Aspekt von Presleys Karriere ist hier angedeutet. Elvis ist schon sehr früh nicht nur eine rebellische, auch eine spirituelle Präsenz gewesen. Zahlreiche Künstler, die an sich selbst und an Drogen gescheitert sind, werden verehrt. Da gibt es eine lange Liste: Judy Garland, Marilyn Monroe, Montgomery Clift, Jim Morrison, Kurt Cobain... Aber daß ohne weiteres angenommen wird, einer wohne bei Gott im Himmel, ist mir nur von Elvis bekannt.<br />Ich selbst kann ein Erlebnis zur spirituellen Dimension seines Nachruhms beitragen. Für die Authentizität verbürge ich mich. Es war nach seinem Tod und vor meiner Wiederverheiratung, als ich von einer sehr langen Menschenschlange vor einem Kino träumte, das ich besuchen wollte. Wegen der Warteschlange erschien es aussichtslos. Ich wollte schon aufgeben, als neben mir Elvis „erschien“. Mit der linken Hand nahm er meinen Arm, mit der rechten wies er vorwärts zur Kasse. Die Menschen, die mir den Weg versperrt hatten, wichen bereitwillig und sogar lächelnd beiseite. Niemand kam auf die Idee, Elvis daran zu hindern, mir diesen Gefallen zu tun. Ich bekam meine Karte, wollte mich bedanken – da war er weg. Ich wachte mit starkem Herzklopfen auf. Soviel ich weiß, habe ich nie stärker die Gegenwart eines übernatürlichen Wesens empfunden. <br /><br />Double Trouble. Der Romanplot hat zwei Wurzeln, wie ein Backenzahn. Es gibt erstens einen Mordfall. Eine weibliche Leiche, ein junges Mädchen, dem Presleys Vater Vernon nachgestellt haben soll, wird im Wald gefunden. Der Bruder ist möglicherweise verantwortlich für Mordanschläge, die auf Vernon verübt werden. Die andere Wurzel gibt dem Krimi eine politische Dimension. Es scheint zeitweise, als wolle der sowjetische Geheimdienst Elvis liquidieren, weil er die Jugend der sozialistischen Länder verführe. Dieser Strang ist besonders spannend. Um ihn genießen zu können, sollte man wissen, daß die damaligen Führer des real existierenden Sozialismus tatsächlich derartige Befürchtungen äußerten. Was sie mehr beängstigt hat, Presleys rebellische Präsenz oder die spirituelle, wer weiß. <br />Der Mörder des Mädchens, ein Ostagent, hat sich in die Entourage von Elvis eingeschlichen. Er wird am Ende der 350 ebenso unterhaltsamen wie spannenden Seiten identifiziert. Doch er kann fliehen. Indem er das Idol als Geisel mitnimmt, gewinnt er einen Vorsprung. Die deutsche Polizei ist ratlos und die Gruppe King vor Angst gelähmt. <br />Hier treten die jugendlichen Fans des King ins Geschehen ein. Sie haben längst gemerkt, daß er in Gefahr war, haben aufgepaßt, und folgen nun dem davonrasenden Wagen. Was dann geschieht? Nachlesen! <br />Zwei Szenen in dem Buch finde ich meisterlich. Beide kurz. In der einen gesteht ein Polizist, daß er bei seiner Frau eine Abtreibung machen ließ. Eine Engelmacherin hat geholfen – deshalb sabotierte er, halb unbewußt, die Suche nach ihrem Mörder; sie ist das zweite Mordopfer des Romans.<br />Und das vorletzte Kapitel. Geschildert wird eine Werbung. Ein nicht mehr ganz junger und nicht mehr ganz frischer Mann will einer viel jüngeren, sehr hübschen Kollegin imponieren. Das ist umso überzeugender geschildert, als die Pointe – was er der zögernden Frau bietet, um sie zu betören – nicht auf dem Papier steht. Wir selbst konstruieren die Pointe während der Lektüre im eigenen Kopf. <br />Sonst ist es ein tadellos geschriebener, effektvoll gebauter Kriminalroman und Politthriller. Er endet in der Jetztzeit. Fans von damals sind 60 geworden und bleiben den Träumen ihrer Jugend treu - über den Tod von Elvis hinaus.<br /><br />Loving you. Unser englischer Kollege Forsyth schreibt irgendwo, jeder wisse ungefähr, wo er war und was er tat, als er von der Ermordung des Präsidenten Kennedy hörte. Ich kann das bestätigen. Ich weiß außerdem, daß ich in meinem Münchener Apartment arglos das Radio andrehte, als ich etwa folgende Ansage hörte: This is AFN interrupting its regular program. Rocksinger Elvis Presley was found dead tonight in his home Graceland in Memphis, Tennessee. Millions of fans around the world are stunned with grief. – Dann spielten sie: I will spend my whole life through - loving you. Ich, 38 Jahre alt, fing an zu weinen. <br />Eine große Liebeskraft war, so schien es mir, aus der Welt geschieden. Ich hatte nicht den Eindruck, daß Ersatz leicht zu haben gewesen wäre. <br /><br />Stuck on you. Soweit ich es beurteilen kann, ist Schüllers Roman glänzend recherchiert, die Atmosphäre von damals genau getroffen, die Romanhandlung in allen Einzelheiten aus den Umständen heraus entwickelt, wie sie tatsächlich waren. Aber bin ich gerüstet, das zu beurteilen?<br />Einmal fuhr ich mit einer Taxifahrerin, die eine Elvis-Cassette abspielte. Ich sagte selbstzufrieden, ich besäße wohl zwölf LPs von ihm oder mehr. Sie musterte mich mitleidig: etwa wie ein Millionär einen Kerl, der prahlt, er habe im Mittwochslotto 70 Euro gewonnen. Sie besitze fast alle seine Alben, insgesamt etwa 800 verschiedene Songs. Mehrfach aufgenommene mitgezählt, seien es nahe tausend. Etwas kleinlauter warb ich für mich mit dem Geständnis, es sei mein Wunsch, Graceland irgendwann zu besuchen. Sie erwiderte, sie sei acht Mal dort gewesen und entschlossen, künftig jeden seiner Todestage an seinem Grab zu verbringen. <br />Seither weiß ich, daß ich nichts weiß. Ich besitze einfach nicht genügend Literatur über Elvis. Nur drei Bildbiografien. Nur den ersten Band der definitiven Biografie von Peter Guralnick (Last Train to Memphis). Elvis and Me von Priscilla Beaulieu Presley. My Life with Elvis von seiner Sekretärin Becky Yancey. Elvis – von seinen Stiefbrüdern Billy, Rick und David Stanley. Elvis and the Colonel von Dirk Vellenga. Elvis, wie er wirklich war, von Red West und anderen Leibwächtern. <br />Von den verfügbaren Titeln sind das wenige. Zu meiner Entlastung bringe ich vor, daß ich den zweiten Band der definitiven Biografie von Peter Guralnick, Careless Love, soeben bestellt habe. (Inzwischen gelesen!).<br />Daß ich Videoaufzeichnungen seiner berühmtesten Auftritte besitze, ist selbstverständlich und nichts besonderes. Ich erinnere mich an eine Szene, die ihn nach der Vorstellung zeigt, wie er im Kreis seiner Musiker abspannt. Er legt einen sehr schnellen Gospelsong hin (O Lord, why don't you rock my soul) und macht Schluß mit den Worten: "Das ist alles, was ich drauf hab." -"Das reicht, das reicht", antwortet der Bandleader. <br />Es hat immer gereicht.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-71335569864344525442011-11-21T06:17:00.001-08:002011-11-21T06:18:28.896-08:00Über den Unterschied zwischen Tatsachenbericht und Fiktion"...the best of his fiction is unique because it is not just one man's story. It is great art because of its range of possible meanings and effects. His finest fiction is vast, universal, open to interpretation, changeable and debatable, intentionally opaque, impersonal. It is ours, not his." Über den Unterschied zwischen dokumentierbaren Tatsachen in Biografien und den Romanen, die auf realen Erlebnissen aufbauen. In der Herald Tribune vom 14. 11. 2011, es geht um Hemingway und die vielen Bücher, die neuerdings nicht mehr von ihm, sondern über ihn erscheinen.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-61615258327043880242011-10-29T01:28:00.000-07:002011-10-29T01:32:19.144-07:00Gratulation zum GeburtstagWenn die Wahrheit gesucht wird, wie in der Kunst oder Literatur, dann ist nicht das zielführend, was von oben dekretiert wird! Ansprüche und Erwartungen sind Möglichkeiten für den Künstler, zu einem Auftrag zu kommen – aber Kunst entsteht nur dann, wenn er sein tatsächliches Erleben einbringen und es (innerhalb des Möglichen) frei verallgemeinern kann. In diesem Sinn hab ich heute ein paar Gratulationszeilen an Klaus Kamberger verfasst, der 71 geworden ist:<br /><br />Wahrhaftiger Text entsteht nicht, wenn Erwartungen zynisch bedient oder Regeln befolgt werden, die ein Käfig sind; verständig genutzt werden sollten sie. Als wir westdeutschen Schriftsteller unsere Regeln von der Gruppe 47 und ihren Großkritikern bezogen, vom bürgerlichen Feuilleton also; und die Erwartungen von einem Publikum, das sich nach Rausch und Trauma im Dritten Reich lieber mit angelsächsischen Verbrechen beschäftigte als mit deutschen – da haben einige von uns Kriminalliteratur zu schreiben versucht, die diesseits des Bildungsbürgertums und seiner Stars, jenseits von Ablenkung spielte. In Taschenbüchern<br />haben wir privates Erleben, wie es sich in Gerichtssälen und Polizeirevieren spiegelte, veröffentlicht. Das wurde zunächst mit mehr Abwehr als Beifall aufgenommen. Der Spagat war auch schwierig. Die Unterhaltung sollte nicht im Ernst der Thematik untergehen, die Wiedererkennbarkeit nicht in Unterhaltung verflachen. Zu denen, die unsere Absicht verstanden und unterstützt haben, gehörte von Anfang an Klaus Kamberger, als Lektor zuerst, dann auch als Rezensent. Noch immer begleitet er unsere Wege. Heute wird er 71. Dank für vieles und herzliche Gratulation sendet, unverdrossenes Schaffen unterbrechend, einer der Gefährten. <br />Happy Birthday!<br /><br />In diesem Zusammenhang ist mir aufgegangen, weshalb Benedikt XVI. keine Reformen „von oben“ dekretieren mag. Alles Verordnete wird zum Käfig. Freiheit der Entscheidung ist ein so wichtiges Gut, dass der Schöpfer – ich rede in Benedikt-Ratzingers theologischen Begriffen – sie um den Preis des Bösen erkauft und sogar der vormenschlichen Entwicklung Freiheit gelassen hat: um den Preis von Angst, Schmerz, Qual und Tod, einen unfassbar hohen Preis also.<br />Benedikt will nichts verordnen oder gar gebieten, auch nicht, was ihm richtig erscheint oder dem Publikum einleuchten würde. Dem Politbüro erschien es richtig, die Rolling Stones aus ihrer DDR auszusperren; der westdeutschen KP erschien es richtig, Arbeiterhelden im Roman zu fordern; unser Kaiser meinte, was er und seine Berater für Kunst hielten, sei es – und nannte Max Liebermann einen Gossenkünstler; alles Unsinn. Sie hielten für richtig, was falsch war, und wollten es per Verordnung und Gebot durchsetzen. <br />Was die Kirche alles erzwingen wollte an Falschem und Verkehrtem und sogar Entsetzlichem, ist ohnehin klar. Flammentod für soviele. Folter, Massenmord, Einschüchterung, Unterdrückung. Benedikt weiss: was er heute für richtig hält, muss es morgen nicht sein und kann übermorgen am Pranger stehn. Er will, dass wir unsere Freiheit nutzen: die Freiheit der Christenmenschen, von der Luther sprach. Recht hat der Papst und hatte auch der Reformator. Meint der Schriftsteller und Verfasser dieses Post.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-14144329413642612312011-06-20T23:22:00.000-07:002011-06-21T00:12:34.560-07:00P.S. zum VorigenZum Vorigen ging mir angesichts von Wald und Wiese durch den Kopf, dass nach dem Krieg viele unserer Autoren sich der Natur zuwandten. Sie vermieden problematische Situationen während des Lebens im 3. Reich. Statt dessen wurden sie ontologisch: sie wandten sich dem zu, was sich nicht ändert. Das konkret schwierige Dasein fordert harte Entscheidungen ab. Das Sein kann, weil ewig, durch kleine Menschen wie unsereinen nicht verändert werden. Heldentaten wären sinnlos.<br /><br />Ein Beispiel aus Wikipedia abgekupfert: "Karl Krolow, der aus einer Beamtenfamilie stammte, wuchs in Hannover auf, wo er das Realgymnasium besuchte. Von 1935 bis 1942 studierte er Germanistik, Romanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an den Universitäten in Göttingen und Breslau. "Krolow, der bereits seit 1934 der Hitlerjugend angehört hatte, trat 1937 der NSDAP bei.[1] Ab 1940 begann Krolow, Gedichte in Zeitschriften wie der Krakauer Zeitung, dem NS-Propagandablatt des Generalgouvernements, zu veröffentlichen. Ab 1942 ließ sich der Autor als freier Schriftsteller in Göttingen nieder. 1943/44 publizierte er auch in der nationalsozialistischen Wochenzeitschrift Das Reich.[1] ... 1952 zog Krolow nach Hannover, 1956 nach Darmstadt, wo er bis zu seinem Tode lebte. Bereits seit den Fünfzigerjahren galt Krolow als einer der bedeutendsten Lyriker der deutschen Nachkriegsliteratur." And so on. Er wurde überhäuft mit Ehren. <br /><br />Oskar Loerke, Lektor bei Fischer vor und auch während der Hitler-Zeit, mag als Vater dieser Richtung gelten, er dichtete selbst:<br /><br />"Mein Haus, es steht nun mitten/ Im Silberdistelwald. /Pan ist vorbeigeschritten./ Was stritt, hat ausgestritten / In seiner Nachtgestalt." So isses. Ich sag nicht, er hätte Menschenrechte vertreten und ins KZ gehen müssen! Das wär "moral insanity" (Enzensberger). Ich sag nur, dass mich die Wendung zur Ontologie in der Literatur stets argwöhnisch stimmt. <br /><br />Weil es zu jeder Regel Ausnahmen gibt: Benns "Astern, schwälende Tage", Ezra Pounds "Be in me as the eternal moods" - ist klar. Aber der Pan von Loerke kommt mir vor wie eine Venus aus Kommissbrot. (Und dieses hübsche Oxymoron ist von Clemens Brentano).Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-28377689394961022932011-05-29T01:35:00.000-07:002011-05-29T01:36:54.713-07:00Beim Betrachten alter Tatort-KrimisEinmal Felmy, einmal Schwarzkopf und einmal Bayrhammer: gute Schauspieler ohne Zweifel, und doch wirken die Kommissare auf mich seelenlos. Sie haben keine spürbare Ausstrahlung, keine Persönlichkeit – nur ein Verhalten. Und zwar verhalten sie sich sachgemäss. Ein Verbrechen ist aufzuklären, sie bemühen sich darum, das kann nicht falsch sein. Sie haben ein Verhältnis zu ihrer aktuellen Aufgabe; sie haben kein Verhältnis zu sich selbst. Ich war sehr erstaunt, als ich das feststellte – hatte mit so einem Eindruck keineswegs gerechnet.<br /><br />Beim Versuch der Annäherung an ein mögliches Verständnis fiel mir zunächst ein Gegenbeispiel ein. Ich dachte an Jean Gabin in Filmen wie „Maigret sieht rot“. Von Beginn an strahlt er ausser Sachkunde eine wie natürliche Autorität und Selbstgewissheit aus. Er verhält sich nicht nur zu den Gangstern, mit denen er es zu tun bekommt, nicht nur zu seinen Mitarbeitern, Kollegen, Rivalen – er verhält sich vor allem zu sich selbst. Jederzeit spüre ich, mit wem ich es zu tun habe. Eben das ist es, was ich bei Felmy, Schwarzkopf und auch Bayrhammer NICHT wahrnehme, denen fehlt es.<br /><br />Mein Erklärungsversuch: Gabin verkörpert den französischen Kleinbürger in seinem Widerspruch, citoyen doch auch und nicht nur bourgeois. Er steht für eine Geschichte, die nicht nur die bekannten Greuel auflistet, auch die nicht minder bekannten Errungenschaften. Richelieus Academie Francaise, die Enzyklopädisten, die Revolution, der Code Napoleon, auf dem unser Bürgerliches Gesetzbuch basiert, de Gaulles France Libre: darauf darf Maigret stolz sein. Die dunklen Seiten muss er nicht verleugnen: Richelieus zynische Machtpolitik, die Missachtung der Aufklärer, die Grausamkeiten des Pöbels an der Guillotine, die Eroberungskriege des Korsen, die Kollaboration. <br /><br />Maigret steht für das Ertragen, das Aushalten dieser Widersprüche – die seine Geschichte sind, auf die er dennoch stolz ist und es sein darf. Nicht als ob Maigret sich dessen bewusst wäre – er strahlt es aus wie von Natur, es ist ihm zur zweiten Natur geworden, ist seine Natur. Die es deutlich empfinden, sind wir, auch wenn er selber nie daran denkt.<br /><br />Ganz anders Felmy, Schwarzkopf, Bayrhammer. Sie verleugnen ihre Geschichte. Halten ihre Vergangenheit nicht aus, nicht die Greuel, das wäre verständlich – aber auch die Errungenschaften nicht. <br /><br />Das Massensterben in den Materialschlachten des Ersten Kriegs hat ihre Generation gelehrt, dass nur eines zählt, der Sieg – egal, wie er errungen ist. Hat man ihn einmal, sieht man weiter. Doch die Überlegung war falsch!<br /><br />Man braucht, um Persönlichkeit auszustrahlen, die Überzeugung, richtig gehandelt zu haben. Wenn dieses Gefühl da ist und zu Recht da ist, dann spricht eine Niederlage, so bitter sie sein mag, das letzte Wort nicht. Wer hat gewonnen, Stauffenberg oder diejenigen, die ihn erschossen?<br /><br />Die Kommissare gehören zur Generation der Verlierer. Verloren hatten sie, und zwar „alles“. Ihre Ehre? Das einzugestehen scheint unerträglich. War ungehorsam, wo Gehorsam keine Ehre brachte. Grabspruch eines Preussen. Sie haben gehorcht, als sie es nicht durften. Wir mussten, sagten sie nach dem Krieg, und so war es wohl. Hier steckt der Widerspruch. Gabins Maigret hält ihn aus; Felmys Haferkamp nicht; Schwarzkopfs Finke nicht; Bayrhammers Veigl - ? Die Rolle hab ich ihm geschrieben und frage mich schuldbewusst, ob ich ihm eine Persönlichkeit geben konnte. Eine Seele, nicht nur einen Job.<br /><br />Glauben konnten sie nicht mehr. Mochten sich aber auch nie aufraffen, gute Erbschaft dankbar anzunehmen. Sie haben das Erbe in Gänze abgelehnt, der Saldo war negativ. <br /><br />Ich hab sie erlebt. In Wirklichkeit hab ich sie erlebt. Entseelte Menschen, die nur noch das unmittelbar vor ihnen Liegende als Aufgabe erkannten. Nur keine Idee mehr, nie wieder einen Glauben. Bei Helmut Schmidt, dem bekanntesten deutschen Veteran , ging es soweit, dass er sagte: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Daher auch seine Ablehnung Willy Brandts. Der hatte Visionen, er wagte sie. Im Widerstand gegen Hitler zur Persönlichkeit gereift, stand er für eine Geschichte, die er nicht zu verleugnen brauchte. Erinnert ihr euch an den Kniefall in Warschau? Die Stadt ist wundersam wieder hergestellt worden – Hitlers Veteranen hatten sie als Trümmerfeld hinterlassen, da stand kein haus mehr und kein Stein auf dem andern. Brandt konnte sich dieser Tatsache stellen. Schmidt hasste ihn dafür, weil er selbst es nicht konnte.<br /><br />Beunruhigend, dass Schmidt heute der angesehenste unserer Politiker ist und Brandt vergessen. Noch beunruhigender finde ich, dass wieder, wie nach dem Krieg, bloss Nächstliegendes als real anerkannt wird. Der Positivismus grassiert. Man ist stolz Cartesianer zu sein - ohne Philosophie. Auf naturwissenschaftliches Denken, ohne Naturwissenschaftler zu sein. Keiner wagt Vision. Entseelte Körper leben, aber strahlen nichts aus, keine Persönlichkeit – sie stehen für nichts und für nichts ein. So leben wir mit Gespenstern, an die Zeitgenossen glauben. Warum nicht, sie umgeben uns überall.<br /><br />Menschen mit Ausstrahlung treffe ich selten. Gibt es einmal einen, dann wagt er kaum an sich selbst zu glauben, an seine Aufgabe, seine Kraft. Fühlt sich isoliert. Und ist es in aller Regel. <br /><br />Wir befinden uns schon wieder in einer gefährlichen, hoch gefährdeten Phase unserer Geschichte. Wir glauben an nichts in unserer Vergangenheit, an nichts in der Zukunft. Wir, sage ich und meine: sehr viele von uns, die Mehrheit.<br /><br />Der Coup muss gewagt werden, es koste was es wolle, meinte Henning von Tresckow. Aufs Gelingen kommt es nicht mehr an, nur noch darauf, dass wir den kommenden Generationen ausser dem materiellen nicht auch noch ein moralisches Trümmerfeld hinterlassen.<br /><br />Es wäre hilftreich, wenn wir das Erbe annähmen – es nicht zwanghaft von uns wiesen mit Rationalisierungen wie: Zuerst haben sie Hitler geholfen, sie sollen nicht nachträglich schlau sein wollen. Das ist das unwichtige Argument, das man oft hört. Das wichtige Gefühl dahinter ist Ressentiment.<br /><br />Ressentiments sollten wir bearbeiten, nicht in uns dulden.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-45071707857143012172011-04-15T00:08:00.000-07:002011-04-15T00:15:11.364-07:00NihilHouellebecqs Interview im Spiegel hat mich schwer be ... eindruckt?, ja. Bedrückt auch. Er hält das Nichts für die einzig beachtliche Realität, Sinnlosigkeit für erwiesen. Und dass es ganz gleich ist, was einer tut oder sein lässt. Es ist mir einige Stunden lang so vorgekommen, als treffe das auf mich zu.<br />Von dem Houellebecq, den Houellebecq im Interview vor- und darstellte, ging eisige Kälte aus: wie vom Diavolo. Der muss unmenschlich kalt sein, sagt TM, um es dort auszuhalten, wo er wohnt.<br />Hat mir wohl Angst gemacht: Könnte es wahr sein?, mag ich mich gefragt – und mich gefürchtet haben.<br />„Die Revolution des Nihilismus“ – Buch von Rauschning. Inhalt: Die Nazis wollen nichts weiter als Macht um der Macht willen, sie wollen nichts weiter! Sie sind Tiere, die denken.<br />Ob Houellebecq ein Tier ist – verzweifelt deshalb, weil es, mit Vernunft begabt, seine (unsere) Gefangenschaft in der Situation zu erkennen meint?<br />Aber seit der Zeitwende hat die Zeit kaum Zeit gehabt, sich zu wenden. Es haben nur 100 Generationen seither am Werk sein können – wenn man pro Generation nicht 20, sondern wie üblich 25 Jahre rechnet, waren es nur 80. Das ist nicht genug, um Mensch zu werden.<br />Wir haben noch eine lange Wanderung vor uns. Das Unerwartete nicht zu erwarten, wäre unrealistisch. Sagt immerhin Hannah Ahrendt.<br />Houellebecq hingegen glaubt nicht, dass morgen alles anders sein kann. Dass die Zukunft offen ist und die Wirklichkeit vom Beobachter verändert wird. Er hat die Dekonstruktion der Realität durch die modernen Physiker nachvollzogen und, wie sie, nichts gefunden als Elementarteilchen. Davor war Energie: Und was das sein soll, weiss niemand, nur wie sie wirkt.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-45617883068621830692011-04-13T03:26:00.000-07:002011-04-13T03:38:35.118-07:00DICH SAH ICHSo lautet der Titel meines neuen Romans. Er erscheint diesen Herbst, der Oktober Verlag Münster bringt ihn heraus. Einem Männerkreis der ev. reformierten Kirche durfte ich ökumenisch Gesinnter den Roman erstmals vorstellen, hier die Reaktion:<br /><br />"Der Männerkreis hatte das große Vergnügen einen renommierten Journalisten, Schriftsteller und Drehbuchautor begrüßen zu dürfen. Eine Lesung aus einem bisher unveröffentlichtem Roman hat für jede Seite eine Erwartungshaltung zu erfüllen. Die Ungewissheit, Neugierde wich schnellstens durch die Lesung einer Spannung. Das Grundthema trug den Titel >>Eine Sprache der Liebe<<. Dieses Thema in all ihren Facetten zu beleuchten ist an diesem Abend angerissen worden. Und zwar so angerissen, dass wir uns alle auf die Veröffentlichung des Romans zum Jahresende freuen. Dieser Abend hat uns allen erneut vor Augen geführt, dass in unserer von Katastrophen bestimmten Welt sich auch eine Verrohung der Sprache leider mehr und mehr durchsetzt. Einen solchen Abend werden wir auf alle Fälle wiederholen müssen, spätestens nach Erscheinen des Romans." <br /><br />Würde mich sehr freuen. Gern.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-68611958319521556782011-02-24T00:57:00.000-08:002011-02-24T00:58:21.756-08:00P.S. zu den Verrissen TMsTM ist auch von wichtigen Vertretern der Generation nach ihm mit Vehemenz abgelehnt, ja verachtet und selbstverständlich schwer verrissen worden. Bert Brecht etwa und Tucholsky hielten ihn für käuflich, also für korrupt und regelrecht bestechlich. Benn fand Worte offener Verachtung ("diese Kuckucksuhr, die achtzig Jahre lang abschnurrt"). Der Grund dafür ging mir jetzt erst auf, als ich mich noch einmal mit diesen Ablehnungen des von mir verehrten Autors durch bedeutende Zeitgenossen, die ich ebenfalls bewundere, auseinander gesetzt habe.<br /><br />Alle diese Autoren, also Benn, Brecht, Tucholsky, gehörten der Generation an, die von den "Vätern" - der Generation, der TM angehörte - in die Materialschlachten des Ersten Kriegs gehetzt worden waren. TM hatte wie viele andere Intellektuelle nicht gegen, sondern für den Krieg argumentiert, und das mit der ganzen, unerhörten Wucht seiner Sprache und Gedanken. Er hatte seine "Söhne" in einen Tod geschickt, den sie im Nachinein als sinnlos empfinden mussten.<br /><br />Man kann die Wut dieser Autoren gegen TM nicht begreifen, wenn man das nicht versteht. "Vatermord" hiess eines der berühmtesten Stücke der Weimarer Zeit, geschrieben hat es Arnolt Bronnen, der eine von Goebbels inszenierte Demonstration gegen Thomas Manns Aufruf zur Einigkeit gegen die Nazis boykottierte und massiv störte.<br /><br />Für Bronnen und seinen Freund Brecht, für Tucho und Benn war TM einer dieser verhassten, der Verachtung preiszugebenden "Väter". Tucho und Brecht standen links mit Tendenz zum Stalinismus (Brecht) und Lenin (Tucho), Bronnen und Benn rechts mit Tendenz zu Hitler (Bronnen) oder "Scholle) (Benn). Alle diese Autoren fanden übrigens für ihre Parteinahme, ob für Stalin oder Hitler, bewegende Worte. ("Es ist ein Garten, den ich manchmal sehe, Östlich der Oder, wo die Ebenen weit"... Wenn Gottfried in die Harfe greift, vergesse ich seine Politik, da überläuft mich die Gänsehaut, die ich bekomme, wenn ein Meister spricht.<br /><br />Im Nachinein scheint es kaum ein Argument zu geben, mit dem sich TMs damalige Haltung verteidigen liesse. However: Hugo Ball zB meldete sich freiwillig an die Front, Fanz Marc und August Macke ebenfalls. Ball desertierte, Macke fiel im ersten Kriegsjahr und Marc, glaub ich, im dritten. Marc hatte für seinen Freund und Künstlerkollegen Macke tief rührende Worte des Gedenkens gefunden: Eine Feindeskugel habe ihn da und da niedergestreckt, aber - so fuhr er fort - "eigentlich war es ja eine Freundeskugel, weil es eine französische war". Ich kann kaum die Tränen zurückhalten, wenn ich daran denke. Erwägt man, wieviel das Erlebnis der französischen Kunst (van Gogh, Gauguin, Cézanne usf.) diesen Malern bedeutet hat, kann man ermessen, was Marc meinte. Doch er glaubte, der Krieg sei Schicksal, und dem Schicksal dürfe man nicht ausweichen.<br /><br />Was Tucholsky betrifft, er rediigierte an der rumänischen Front eine Propagandazeitschrift für die Luftwaffe - darüber hat er später nie gesprochen. Dass seine in "Schloss Gripsholm" verewigten Freunde Karlchen und Jakopp dort Militärpolizeiränge bekleideten, hat er ebenfalls nie erwähnt. <br /><br />Damals hat sich manch einer geirrt. Und verirrt. Aus solchen Irrtümern zu lernen, das ist TM gelungen. Er fing 1930 an, die Nazis mit all seiner gewaltigen Rhetorik zu attackieren, und er rief das deutsche Büprgertum zum Bündnis mit Sozialisten und Gewerkschaften, mit "den Arbeitern" auf.<br /><br />Brecht verachtete die Sozialisten ganz wie Stalin, den er andichtete. Tucholsky verachtete die Sozis derart, daass er den Reichspräsidenten Ebert einen Verbrecher nannte. 1932, als die Nazis noch keineswegs ganz Europa beherrschten, beschimpfte er TM noch immer, als dieser bereits seinen Kampf gegen Hitler und dessen Greuel aufgenommen hatte und als einziger deutscher Autor weltweit Gehör finden sollte mit seinem Plädoyer für das andere Deutschland.<br /><br />Tucho, den ich sehr liebe, liebte mich nicht. Auch dich nicht. Er wollte mit den Deutschen nichts mehr zu tun haben, nicht mit den Hunderttausenden seiner Leser. Verachtungsvoll hat Tucho uns als hoffnungslos und für 1000 Jahre verbocht denunziert. Auch dich und mich! TM hat damals seine leidenschaftlichen Kämpfe für uns vorbereitet.<br /><br />Was und wie er aus seinen Irrtümern gelernt hatte, ist am schönsten und besten (wie ich finde) bei Alfred Andersch nachzulesen. Ich glaub in seinem Buch, Nord und Süden, West und Ost - oder so ähnlich. Googelt selbst.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-16290382920529123612011-01-25T00:23:00.000-08:002011-01-25T00:44:07.104-08:00Antwort auf einen Verriss zweier Essays von Thomas MannThomas Mann ist einer von zwei Autoren, die so schreiben, wie mein Herz schlägt. Er steht mir näher als andere, die ich auch sehr liebe und gut kenne. Deshalb bin ich bestrebt, buchstäblich alles von ihm zu besitzen und zu lesen. Als ich kürzlich der FAZ entnahm, dass er zwei bedeutende Essays verfasst hat, die ich noch nicht kannte - weil sie in den Essay-Bänden der Stockholmer Gesamtausgabe nicht enthalten sind - habe ich sofort bestellt und nachgekauft. Zuerst bekam ich "Nietzsches Philosophie im Licht unserer Erfahrung" als Suhrkamp-Sonderdruck von 1948, ein zeitgeschichtliches Dokument ersten Ranges und nicht nur von literarischem oder philosophischem Interesse. Danach bestellte ich Neue Studien, wieder bei Suhrkamp 1948, dieser Band enthält beide Essays, sie sind, wie gesagt, erst in der Nachkriegszeit bei uns erschienen; geschrieben und zuerst veröffentlicht wurden sie in USA.<br /><br />Beide Essays halte ich für Meisterwerke, sie haben mich erschüttert und aufgewühlt. <br /><br />Eben deshalb interessiert es mich, weshalb derart scharf absprechende Urteile möglich sind, wie sie in einem Online-Literaturforum veröffentlicht werden (http://135889.homepagemodules.de)<br />Ist das mehr ein "Gefühl", eine schwer zu definierende, instinktive Abneigung, wie wenn man jemand "nicht riechen" kann? Oder sind bestimmte Formulierungen gemeint? Oder ist es ein Widerstreben gegen Manns historische Tiefe, also den zeitgeschichtlichen Kontext ("was geht mich die deutsche Geschichte an, was hab ich mit Hitlers Verbrechen zu tun"? Und weshalb hat der Verfasser des Niederrisses den 60 Jahre alten, gar nicht überall erhältlichen Band überhaupt erstanden?<br /><br />Übrigens ist mir so etwas wie instinktive Abneigung gegen bestimmte Autoren nicht unbekannt. Beziehungslosigkeit gegenüber auch sehr berühmten und besonders zu ihrer Zeit geliebten und verehrten Autoren kenne ich von mir selbst. Allerdings versuche ich dann zu verstehen, weshalb es mir nicht gelingt, mich von dem Autor angesprochen zu fühlen; manchmal bemühe ich mich ohne Erfolg darum und der Autor bleibt mir fremd, lässt mich weiterhin kalt. Bedeutende Texte bedeuten zu verschiedenen Zeiten und für manchen Leser Unterschiedliches. <br /><br />Andererseits gilt mancherlei als gesichert. Thomas Mann war die Stimme des „anderen Deutschland“, und zwar die einzige, die weltweit gehört wurde. Besonders in den Essays und ganz besonders auch in denen der Neuen Studien spricht dieses andere Deutschland uns noch einmal an. Ich hab wie so oft wieder mit tiefster Liebe und Achtung, und auch mit Ehrfurcht gelauscht. <br /><br />Der besonders absprechende Einwand - "Thomas Mann war, im Gegensatz zu seinem Bruder, ein ewiger Zuspätkommer, was die Politik angeht" - entspricht nicht den Tatsachen.<br /><br />Carl von Ossietzky" in der Weltbühne vom 21. Oktober 1930: "Dank sei Thomas Mann, dass er aus der Reihe der schweigenden Geistigen heraustritt ... " 1930 war es noch an der Zeit und TM kein Zuspätkommer. Meint Ossietzky. <br /><br />Bei den Reichstagswahlen vom September 1930 hatte die Nazipartei einen Erdrutschsieg errungen, mit 107 Abgeordneten (vorher 12) stellte sie plötzlich die zweitstärkste Fraktion nach der SPD. Da die KPD ebenfalls Zugewinne verbuchte und mit 77 Abgeordneten vertreten war, näherte das Parlament sich der Handlungsunfähigkeit. Man musste etwas gegen die drohende Gefahr unternehmen. Was kann ein Schriftsteller tun? Er setzt sein Wort ein.<br /><br />Thomas Mann hielt eine Rede. Er rief in Berlin das Bürgertum, dem er sich zugehörig fühlte, zum republikanischen Bündnis vor allem mit der deutschen Arbeiterschaft auf. <br /><br />Gauleiter Goebbels entsandte 20 SA-Männer zwecks Störung in den Saal, und der Autor Bronnen arrangierte lautstarke Zwischenrufe. Von da an bezeichnete die NS-Presse den Literaturnobelpreisträger von 1929 gern als "Halbbolschewiken" (so im Völkischen Beobachter). Nachdem 1933 Heinrich Himmler Polizeipräsident von München geworden war, wurde TM zur Verhaftung ausgeschrieben. Autor Johst beantragte ausdrücklich, TM eine „Sommerfrische in Dachau“ zu verordnen, nämlich die Einweisung ins KZ. <br /><br />1930, als Thomas Mann seine Berliner Rede hielt, war „das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen", wie der Kritiker höhnt. Jedenfalls nicht nach Ansicht der Weltbühne und ihrer Autoren. Im Jahrgang 1930 ist nachzulesen, dass man Hitler und seine Partei noch für verhinderbar hielt. "Zum Pässebesorgen und Kofferpacken liegt gar keine Veranlassung vor. Um den Juden eins auszuwischen, müsste man die Verfassung ändern. Wo ist die nötige Zweidrittelmehrheit?" beruhigt "Quietus" (=Walther Karsch) die Leser der WB. 1930! Karsch war regelmässiger Mitarbeiter.<br /><br />Thomas Mann durfte also noch hoffen, die Vernünftigen zu überzeugen. Ausser er wäre schlauer gewesen als zeitkundige Autoren der Weltbühne wie Ossietzky und Karsch. <br /><br />"Entlaufen scheint die Menschheit wie eine Bande losgelassener Schuljungen aus der humanistisch-idealistsichen Schule des 19. Jahrhunderts, gegen dessen Moralität unsere Zeit einen weiten und wilden Rückschlag darstellt. Alles scheint erlaubt gegen den Menschenanstand". Die in den Phantasien der Reaktion abgeschaffte Freiheit erscheine "nun wieder in zeitgemässer Gestalt als Verwilderung", als "Emanzipation der Roheit"... Die „exzentrische Seelenlage einer der Idee entlaufenen Menschheit“ werde "zum Massenopiat des Dritten Reiches"... Der wörtlich benannte Nationalsozialismus wird einer Bewegung weltweiter Barbarei zugerechnet und gebrandmarkt, Stalins Rgeiment übrigens auch. <br /><br />Die Deutschen dürften der Welt kein Beispiel von Narretei geben.<br /><br />Undsoweiter, die Brillanz der Formulierungen sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass TM sich mit diesen Äusserungen in Lebensgefahr begab. Ebenso riskant formulierte er in anderen, noch folgenden Vorträgen und Aufsätzen, und zwar noch vor der "Machtergreifung" und nicht erst, als es zu spät war.<br /><br />Von seinen Kindern beraten, kehrte er 1933 aus der Schweiz nicht nach Deutschland zurück Er entging so dem KZ. Auf Berman-Fischer hörend, der verzweifelt seinen Verlagsbesitz zu retten versuchte, und in ständiger Abstimmung mit den ebenfalls im Fischer-Verlag erscheinenden Hermann Hesse und Annette Kolb, zögerte er seine Solidaritätserklärung mit der deutschen Emigration hinaus bis 1936 – was ihm diejenigen nicht verzeihen, die sich ihrer moralischen Integrität in jeder, auch prekärster Situation völlig sicher sein dürfen. <br /><br />Dass seine Kinder Zuwendung vermissten, ist der Kritik ein heftiges Ärgernis - und ein Grund, TM menschlich zu verabscheuen. Da wir alle unsere Kinder so erziehen, wie es sein soll und sein muss, dürfen wir in dem Maß stolz auf uns sein, wie TM sich hätte schämen müssen.<br /><br />Die in Lieblosigkeit aufgewachsenen Kinder sind auf rätselhafte Weise dennoch charakterlich gediehen, jedenfalls haben Klaus, Erika, Golo Uniform angezogen und gegen die Nazis gekämpft, als es im Falle einer Gefangennahme sehr hässliche Folgen haben konnte. Vater Zauberer, weil lieblos, hätte Folterung und Hinrichtung seiner Kinder gewiss mit Gleichmut ertragen - ?<br /><br />Eine Äusserung Enzensbergers aus seinem Buch über Hammerstein kommt mir in den Sinn: "Wer Leuten, die mit ihrem Leben bezahlt haben" - ich ergänze: mit ihrem Leben zu zahlen bereit waren - "aus ihren politischen Irrtümern einen Vorwurf macht" - ich ergänze: oder aus menschlichen Unzulänglichkeiten, deren wir keine aufweisen - "leidet an einer Form nachträglicher Besserwisserei, die von moral insanity nicht weit entfernt ist." <br /><br />Die Äusserung, sag ich, kommt mir in den Sinn. Aber vielleicht ist sie ergänzungsbedürftig. Hass auch in der milderen Form der Abneigung entspringt oft rational schwer erreichbaren Prägungen. Meine Argumente zugunsten TMs sind zwar richtig (mit den Tatsachen übereinstimmend), doch letztlich stammen auch sie aus dem emotionellen Bereich. Es gibt nur einen anderen Autor, mit dem ich mich so intim verbunden fühle, es ist Raymond Chandler. Beide Autoren verbinden ganz starke Sinnlichkeit mit einer ebenso starken Verpflichtung für Verantwortung und Moral. TM liebte heranwachsende Jünglinge, aber er sagte, er würde nie einem solchen geliebten Wesen wehtun können oder wollen. Chandler war fasziniert, fast berauscht von weiblicher Schönheit, er hat sie gefeiert (The long Good-bye, die Stelle, wo er Ellen Ward zum ersten Mal erblickt, nicht nur "sieht"). Er sagt dennoch: Philip Marlowe (sein alter ego in den Romanen) würde nie eine Jungfrau verführen.<br /><br />Wir sind Tiere unserer triebhaften Ausstattung nach - aber wir stehen als Menschen auch in einer vertikalen Spannung "nach oben" (Sloterdijk in seinem Tübinger Vortrag "Optimierung des Menschen?"<br /><br />Noch ein Wort zu dem Einwand, TM habe nur für Eliten geschrieben. Meine Tante Lilo war eine einfache Frau, als Telefonistin immer knapp bei Kasse, daher bezog sie ihre Bücher vom Bertelsmann-Lesering, wo sie in Raten bezahlen konnte. Auf ihren Bord standen drei Romane von TM : Buddenbrooks, Königliche Hoheit, Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Alle drei hatte sie auch gelesen und sich über Verständnisschwierigkeiten nie beklagt. Ich selbst hab in der Schule den Krull vorgelesen gekriegt, und zwar liess der Lehrer uns das Kapitel vortragen, wo Krull sich zum Wehrdienst empfiehlt - zu empfehlen scheint. Wir lagen vor Lachen schier unter den Pulten. Soviel zum Elitrarismus.<br /><br />Aber wie gesagt, kein Argument erreicht den emotionellen Bereich, aus dem auch meine Bemerkungen stammen. Dass ich es nur gestehe: Ich bin jung gewesen, als ich TM kennenlernte - und Benn, Brecht, Tucholsky ... und Chandler. <br />Ich verjünge mich, wenn ich sie aufschlage. <br /><br />"Nicht sehr ergiebig im Gespräch, Ansichten waren nicht seine Stärke, Ansichten reden drumherum..." Benn folgend will nun auch ich meine Ansichten für mich behalten und euch die Diskussion überlassen.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-37536618644337140492011-01-16T01:16:00.000-08:002011-01-16T01:28:22.729-08:00Verhunzte AufklärungDie Trivialisierung des Göttlichen, dessen Verhunzung zu kleinbürgerlichen Wunschträumen, ist seit langem marktführend. Aus der Allmacht Gottes wird die von Superman, aus gottgewirkten Wundern ein Rückfall in plumpe magische Tricks: Harry Potter fliegt durch Wände. So hatte ich mir die Aufklärung nicht vorgestellt.<br /><br />Andererseits wird das Böse mystifiziert, wird als unausrottbar und allgegenwärtig dargestellt: Serienkiller und Psychopathen gehen um in den populären Fantasien. Und in den Genres, die Wünsche bedienen (während sie von der Kunst problematisiert werden).<br /><br />Der Trivialisierung und Profanierung des Göttlichen entpricht eine Mystifizierung des Teuflischen. Beides ist kleinbürgerlichen Ursprungs. Der Spiesser fingiert seine Allmacht und entschuldigt praktische Trägheit damit, dass er eh nichts ausrichten könne.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-44051881816442983942011-01-09T01:05:00.000-08:002011-01-09T01:37:42.523-08:00Kitsch und Kunst, Emotion nund SentimentalitätGestern in der Auslage eines Geschäfts für Kleinigkeiten sah ich eine offene Muschel, in der ein Knäblein schlief: Kitsch, das ist Niedliches ohne reale Existenz, kann sogar Schönheit sein, die keinen Realitätsbezug mehr hat.<br /><br />Warum sind griechische Statuen schön und nicht etwa kitschig, obgleich es vollkommene Gestalten in der Wirklichkeit nicht gibt? Weil eine griechische Statue keine menschliche Gestalt meint, sondern eine göttliche. Der Marmor soll nicht die Wirklichkeit darstellen, sondern ein Ideal. Dieses Ideal allerdings hat sehr wohl Realität für den Griechen der Antike. Die Griechen lebten damals mit ihren Göttern und verehrten sie.<br /><br />Van Gogh malt das Zimmer im Irrenhaus von St. Remis, in dem er Heilung von seiner Schizophrenie sucht. Für ihn ist dieses Zimmer real, die Schuhe einer Bäuerin sind es, Sonnenblumen, der drohende nächste Anfall, der sich in schwarzen Vögeln über einem goldenen Kornfeld ankündigt. Er malt nicht den Apoll, an den er nicht glaubt - auch keine Aphroditen, obgleich sie sich gut verkaufen würden, denn der Markt hängt am alten, am "klassischen" Schönheitsideal, und merkt nicht, dass es unwahr geworden ist. Nachgemachte Schönheit ist Kitsch. Nur Wahres ist schön. <br /><br />Ähnlich ist es mit unseren Gefühlen. Wenn sie unwahr sind, nennen wir sie sentimental. Den Hurra-Patriotismus, der davon absieht, dass auch andere Völker Grosses geleistet haben. Das Schwelgen in Erinnerungen, die sortiert und absichtlich unvollständig sind. Schwärmerei ohne Rücksicht auf Konsequenzen.<br /><br />Kunst will Wahrheit, Gefühl scheut sie nicht. <br />Kitsch vermeidet Wahrhaftigkeit, und Sentimentalität lügt bewusst.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-30871533045872167502010-10-28T06:55:00.001-07:002010-10-28T06:55:55.123-07:00Sauve qui peutNach einer Panikattacke im berüchtigten Zugangstunnel zur Duisburger Love Parade gestand eine Teilnehmerin quälende Schuldgefühle ein. Ihre Körperlichkeit hatte es ihr ermöglicht, andere beiseite zu schieben – ohne Rücksicht auf das Leben von Mitmenschen. Sie war nur noch aufs eigene Durchkommen aus gewesen. Das Trauma, auf einen Urinstinkt zurückgeworfen zu sein, liess sie nicht los. Ethische Regungen hatten keine Rolle gespielt. Rette sich wer kann hat gegolten.<br /><br />Es ist Aufgabe der Politik, Situationen zu vermeiden, in denen wir auf unsere animalischen Instinkte reduziert sind. Wo ums nackte Überleben gekämpft wird, gerät Mitmenschlichkeit ausser Kurs. Sie gedeiht in Zivilisationen, nicht in der Barbarei.<br /><br />Schon antike Philosophie wusste, dass Ethik die Rechtsgemeinschaft braucht. Ist Athen verloren, gibt es kein menschenwürdiges Leben mehr, wird Amoral zum Normalfall. „Law is where you buy it“, erkannte zweitausend Jahre nach Sokrates der Kriminalschriftsteller Raymond Chandler in Los Angeles. „You’re never sure whose belly it’s safe to jump on.“ Der anständige Mensch – Chandlers berühmter Privatdetektiv Philip Marlowe – wird zur bestaunten Ausnahme. Eine Märchenfigur, ausgegrenzt, einsam. <br /><br />Man kann daraus verschiedene Schlussfolgerungen ziehen. Wo Korruption von den Eliten erwartet wird (Die zocken uns ab, hört man bei uns jetzt überall), tritt das Sittengesetz in den Hintergrund. Es wird vom Instinkt des Überlebens verschluckt. Wie lange leisten wir es uns, persönlichen Vorteil zugunsten unserer „Polis“ hintan zu stellen? <br /><br />Kontaminierte Gemeinschaften – Rechtsgemeinschaften dem Buchstaben nach, Unrechtsgemeinschaften in der Praxis – fördern Gewissenlosgkeit und Verrohung. Sind freilich auch Nährboden der Unterhaltungsmedien. <br /><br />Als die Deutschen ihren Eliten noch getraut haben, spielten deutschsprachige Spannungsromane in England und Amerika, oder wie bei Karl May in noch schwierigeren Gegenden. Das änderte sich 1968, als wir deutschen Krimi-Autoren das Zutrauen zu unseren Eliten verloren. Wir haben nicht Recht von ihnen erwartet, wir suchten nach Spuren von Unrecht bei ihnen. Wolfskämpfe waren unser Thema.<br /><br />Sie sind jetzt weltweit das beherrschende Thema. In grossen Medienmärkten sind vor Weihnachten jede Menge Fernsehserien zu kaufen, für billiges Geld übrigens, zwölf Folgen auf einer DVD. Mord, Mord und Mord. In Amerika sollen Kinder nach einem Todesfall gefragt haben, wer den Verstorbenen umgebracht habe. Gewalt als Chiffre, versteht sich. Manch andere Verdrängungswettbewerbe sind mit gemeint. <br /><br />Spannung. Unterhaltung. Gelegentlich einmal Kultur – wie bei Chandler.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-60686168455126965882010-10-11T02:20:00.000-07:002010-10-11T02:23:11.148-07:00Integration, Desintegration„Ich grüsse dich in allertieflichst Zugehörigkeit“, lese ich im letzten Brief meines Großvaters, Datum Weihnachten 1955. Die Schrift ist noch gut leserlich, aber korrekte Wörter hat er nach seinem Schlaganfall nicht mehr immer gefunden; das herzensnächste musste es tun. Er hatte mich an Vaters statt bis zu meinem zwölften Lebensjahr betreut, mich auf seinen Armen getragen, wenn ich krank war und Trost brauchte, mich auf unzähligen Spaziergängen mit den Dingen der Welt bekannt gemacht. Allertieflichst verbunden.<br />Den Brief hüte ich als kostbaren Schatz. Er beweist mir, dass ich in der Welt willkommen geheissen wurde. <br />Als Geschenk legte Grossvater ein Reisehandbuch bei: „Das südliche Ostpreussen“. Dort hatten wir die allerersten Jahre meiner Kindheit miteinander erlebt – soviel Schönes, dass seine Kraft zuletzt nicht mehr ausreichte, an alles zu erinnern.<br />Beim Durchblättern des Handbuchs fällt mir die für heutige Zeiten ungewöhnlich scharfe antipolnische Rhetorik auf. Deutschstämmige Ostpreussen waren damals grossdeutsch und evangelisch. Der slawische Teil der Mischbevölkerung war katholisch und großpolnisch orientiert. Die zwei Ethnien organisierten sich in Vereinen. Diese beschuldigten einander, von Geheimdiensten – reichsdeutschen bzw. großpolnischen – finanziert zu sein und beschimpften diese Quellen als trübe, finster und vergiftet.<br />Großvater wird die deutschnationale Rhetorik gebilligt haben, das Büchlein wäre sonst nicht durch Krieg und Flucht mitgeschleppt worden, um schliesslich bei mir zu landen – als Erinnerungsstütze.<br />Es erinnert mich vor allem daran, dass Großvater mich in seine Familie integriert hat, als ich keine andere hatte. Den geografischen, geistigen, sprachlichen Raum, in dem wir einander allertieflichst zugehörten, gegen Eindringlinge abzudichten, muss ihm natürlich und richtig erschienen sein. <br />Mich Schutzbedürftigen wollte er integrieren, bedrohliche Fremdlinge desintegrieren.<br />Im Dritten Reich aber hat er dann polnische Arbeiter, die in seiner Firmenfiliale für den Nazistaat arbeiten mussten, gegen Übergriffe abgeschirmt, wo es nur ging – nach Kriegsende bescheinigten sie es ihm, zur Vorlage bei den Besatzungsbehörden.<br />Integration und Desintegration haben sich im emotionellen Haushalt meines Großvaters nicht widersprochen. Sie entsprachen einander. Für ihn war das, obgleich er es anders formuliert hätte, eine dialektische Beziehung. <br />Wie oft mag blinder Hass die Rückseite vernarrter Liebe sein? <br /><br />Von Berlin nach Allenstein fuhr man damals, das Handbuch ist 1934 erschienen, zehn Stunden mit dem D-Zug ohne Umsteigen, es kostete III. Kl. 27, 20 und II. Kl. 42,20. Eine Fahrt in der I. Kl. ist im Handbuch über das südliche Ostpreussen nicht vorgesehen.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-10376118121633545892010-10-03T02:39:00.000-07:002010-10-03T23:52:51.628-07:00Aggressiver AtheismusWarum greifen atheistische Eiferer gläubige Christen mit solch vehementer Wut an, wie zuletzt beim Papstbesuch in England zu beobachten? Auf diese interessante Frage stiess ich im Blog eines katholischen Ordensmannes. Als plausible Antwort fiel mir ein:<br />Der Atheismus bekennt sich zu einem telos, einem Endziel, wie auch seine verhassten christlichen Gegner. Bei den Atheisten ist es das Paradies auf Erden. Imagine there’s no Heaven, and no relegion too, singt John Lennon; er glaubt (es ist ein Glaube), dass Menschen ohne Religion endlich in Frieden zusammenleben werden.<br />Stalin hat uns eben dieses Endziel, das Paradies auf Erden, versprochen. Mit den bekannten, sehr irdischen Konsequenzen. Stalin verstand sich als Atheist.<br />Hitler war kein Atheist, er hing einer Variante des Neuheidentums an. Endziel des Neuheiden Hitler war nicht das Paradies auf Erden, sondern die Wiederherstellung eines Naturzustands, wie er ihn verstand. Eine Art Hölle auf Erden: Jede Generation stählt und reinigt sich durch ein Blutbad, einen Krieg. Der Starke unterjocht den Schwachen, merzt ihn aus. Grausamkeit ist eine Tugend, Mitleid wäre Schwäche.<br />Neuheidentum und Atheismus werden oft gleichgesetzt. Das ist nicht ganz richtig. Hitlers Telos der Hölle auf Erden ist Stalins Telos eines Paradieses auf Erden entgegengesetzt. Nur die Konsequenzen waren weniger unterschiedlich. Anhänger beider und anderer Richtungen haben sich in Straf- und Vernichtungslagern unverdrossen weiterhin bekämpft: Hähne, die noch auf dem Weg zum Schlachthof wütend aufeinander einhackten – lesen wir bei Ernst Bloch. Falls wir Ernst Bloch noch lesen.<br />Das Paradies auf Erden zu versprechen, heisst den Mund wohl zu voll nehmen. Uns aufs Jenseits zu vertrösten, kann das letzte Wort aber auch nicht sein. Der vermittelnde Denker-Theologe im Vatikan, „unser Papst“ Benedikt XVI., hat bereits vor Jahrzehnten in seiner Habilitationsschrift dargelegt, dass katholische Theologie seit dem 13. Jahrhundert die Erde als eine uns anvertraute, von uns zu hütende Heimstatt begreift. Die bewegenden Schlusszeilen seiner Habilitation handeln davon. Wie umstritten noch so einleuchtende Theologie sein kann! Zwei Drittel der Habilitationsarbeit des jungen Joseph Ratzinger über den Heiligen Bonifatius wurde von der zuständigen Münchener Fakultät abgelehnt, weil ein Professor sich in seiner Eitelkeit gekränkt fühlte. Die zurückgezogenen 300 Seiten konnten bis heute nicht erscheinen! <br />Rivalität zwischen Theologen. Kampf zwischen Glaubensrichtungen. Krieg zwischen Religionen. Sie sind untereinander wie die Wölfe, sagte Hans-Jürgen Krahl. Die Lösung wäre demnach nicht in einem anderen Glauben zu suchen, sondern im Verzicht darauf, den Wahrheitsanspruch, auf dem wir beharren, solange wir glauben, mit Rspektlosigkeit oder gar Gewalt zu vertreten. Das bedeutet die noch ausstehende Durchsetzung und nicht nur Anerkennung der Menschenrechte als oberster Instanz.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-39957220673289742892010-10-02T01:00:00.000-07:002010-10-02T01:05:16.507-07:00Bedarf und BedürfnisIn jungen Jahren hab ich erstes gutes Geld dafür verwendet, mir solide Möbel aus massiver Fichte beim Tischler zu bestellen: einen Schreibtisch vor allem andern, dann auch Bücherregale, Musiktruhe, Doppelbett, zwei Kommoden, einen Kleiderschrank. <br />Bei Umzügen hat sich das Mobilar als schwerwiegend im Wortsinn erwiesen – und ich hab mich öftes gefragt, weshalb ich mich mit 30 fürs ganze Leben so eindecken wollte. Es sei unpraktisch, hörte ich mehrfach. Man werde alter Sachen überdrüssig und kaufe gern mal neue. <br />Warum war es bei mir anders? Ich hatte nach sehr hektischer und unruhiger Kindheit und Jugend ein starkes Bedürfnis nach Stabilität – war meine eigene, naheliegende Erklärung. Inzwischen fiel mir eine ganz andere ein, und sie scheint mir nun die eigentliche und richtigere zu sein.<br />Ich wollte mich damals ein für allemal von der Sorge „ums Sach“, wie es im Schwabenland heisst, befreien. Nachdem ich an grösseren Gebrauchsgegegenständen alles angeschafft hatte, was ich in meiner Lebenszeit benötigen würde, konnte ich mich meinen eigentlichen Aufgaben zuwenden. Ich war schliesslich nicht Konsument von Beruf.<br />Umso interessanter fand ich, was ich bei Lesungen in Schulen immer wieder hörte: Wieviel verdienen Sie?, wurde ich stets gefragt. Und auf meine Gegenfrage, warum Geld so wichtig sei: „Dann kann ich mir alles leisten, was ich haben will“. Tolles Auto, die neuesten Klamotten... undsoweiter; es folgte immer eine Aufzählung von Sachen.<br />Darauf eingehend, erfuhr ich, die Schüler wünschten sich gar nicht den Genuss eines besonders bequemen oder schnellen Wagens. Hohe Wertschätzung wollten sie geniessen: „Du wirst doch ganz anders eingeschätzt, wenn du im Carrera vorfährst! Mit der Rolex am Handgelenk. Im Anzug von Boss oder Armani.“ Sie kannten alle Marken.<br />„Andere“ Einschätzung also war es, was sie schmerzlich entbehrten. Nun ist allerdings ein Michael Ballck nicht deshalb angesehen, weil er im Ferrari vorfährt – „teuerster Krankenwagen von London“, spotteten vielmehr seine Teamkollegen bei Chelsea, als er lange verletzt war. Nicht der Wagen war es gewesen, der ihm ursprünglich hohe Wertschätzung eingebracht hatte.<br />Unser Talent zu entwickeln und einzusetzen, welches immer es sein mag, dafür sind wir da. Blosse Symbole für Fähigkeiten, die zu entwickeln wir nie die Courage, nie die Selbstdiszplin aufgebracht haben, bringt allenfalls Spott ein, Häme, Sarkasmus und sogar offene Geringschätzung. <br />Viele junge Leute scheinen das nicht oder nicht mehr zu wissen. Und vielleicht vergessen sogar wir Älteren, die es erfahren haben sollten, diese Allerweltsweisheit zu oft, als gut für uns ist.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-32799357008481067872010-08-06T08:00:00.000-07:002010-08-06T08:17:05.536-07:00Vom Nutzen der EhreDen point d’honneur gibt es in allen Berufsgruppen. Er besteht darin, Vertrauen nicht zu enttäuschen – niemals willentlich und so selten wie möglich ohne Absicht.<br /><br />Den Bankiers vertraut keiner mehr. Sie haben Geld, das ihnen nicht gehörte, verzockt. Ihr Persönlichkeitsprofil können sie in Dostojewskis Roman Der Spieler erkennen.<br /><br />Und auch Politiker, Gewerkschafter – sie sind auf Mehrung ihres, nicht unseres Vermögens bedacht. ver’di-Chef Bsirske ist während des von ihm unterstützten Streiks bei der Lufthansa mit eben dieser Gesellschaft Erster Klasse gratis in die Südsee geflogen, in Begleitung seiner Familie. Er hat sich hinterher entschuldigen müssen – aber warum konnte es ihm einfallen? Er hat sowenig Anstand bewiesen wie Edmund Stoiber, dem das Wort von der durchrassten Gesellschaft entfuhr. Auch er nahm zurück, aber – siehe oben. Anständigen Menschen fällt so etwas gar nicht ein, nicht nach Anne Franks Hinsiechen in Bergen-Belsen! Sowas sagt man nicht.<br /><br />Und Josef Ackermann? Er tut sich viel darauf zugute, dass die von ihm geleitete Deutsche Bank in der Krise nicht durch Steuergelder unterstützt werden musste. Aber er hat für viele Milliarden Euro griechische Staatsanleihen gekauft und an den überhöhten Zinsen verdient, die Griechenland garantieren musste. Als die Garantien nicht mehr erfüllt werden konnten, haben wir einspringen müssen – wir mit unseren kleinen und mittleren Einkommen. Ist das anständig? Wenn nicht, warum ist er Berater der Bundeskanzlerin? <br /><br />Die Manager haben das Gemeinwohl nicht mehr im Auge, die Oberschicht hat keine Vorbildfunktion mehr, die Politiker haben das Vertrauen verloren. Das hat Per Steinbrück jetzt in einem Fernsehinterview gesagt: er hat recht. <br /><br />Die Ehre, wenn sie einmal verwirkt ist, kann nicht leicht zurück gewonnen werden. Es gab nach Bismarcks erfolgreichen Reichsgründungskriegen wohl kaum eine geachtetere Institution in unserem Land als den Generalstab. Als im Zweiten Weltkrieg der Generalstab die Fronten deckte, hinter denen die SS ihre schauerlichen Verbrechen beging, verwirkte der hochrangige deutsche Offizier seine Ehre. Niemand würde heute noch einen General für besonders achtbar halten, er ist es nicht mehr oder weniger als ein Abteilungsleiter im Kaufhaus. Sie haben Verbrechen gedeckt – nicht sie persönlich! Es waren Vorgänger, die den Stand besudelten. Aber besudelt ist er.<br /><br />Das Ausmass des Ehrverlustes wird deutlich, wenn wir uns klar machen, dass nicht wenige hohe Offiziere ihr Leben geopfert und sogar das ihrer Familien aufs Spiel gesetzt haben, um ihre Irrtümer gut zu machen. Ihrem Stand den alten Respekt zu sichern ist ihnen nicht gelungen. Die Ehrung der Widerstandskämpfer an jedem 20. Juli hat dem Generalsrang keine besondere Achtung zurück gewonnen.<br /><br />Eigentlich ist es nur nützlich, bei jeder Art Dienstleistung die Bedürfnisse derer in Rechnung zu stellen, von deren Vertrauen man profitiert. In Dashiell Hammetts Roman Der Malteser Falke liefert Privatdetektiv Sam Spade die Mörderin seines Partners der Justiz aus, obgleich er sie liebt. Von Ehre ist dabei keine direkte Rede. Er sagt ihr, bevor er sie ausliefert, von einem Privatdetektiv werde erwartet, dass er den Mord an seinem Partner aufklärt. Man werde ihn nicht mehr achten, wenn er das nicht fertigbringe. Er lebe von seinem guten Ruf.<br /><br />Ähnlich Philip Marlowe in Raymond Chandlers Roman The long Good-bye. Der Staatsanwalt niimmt Marlowe in Beugehaft, um eine Aussage gegen Mrlowes untergetauchten Mandanten zu erzwingen. Marlowe antwortet: Wenn ich meinen Klienten preisgebe, bloss weil Sie mich einstecken, habe ich bald keine Klienten mehr.<br /><br />Unsere Manager und Bankiers, Politiker und Gewerkschafter haben nicht nur ihre Ehre verwirkt, auch ihren Eigennutz riskiert. In USA begreifen einige ihrer Kollegen, was geschehen ist und noch geschehen könnte. Die 40 Milliardäre, die dort die Hälfte ihres Vermögens verschenken wollen, zielen auf Wiederherstellung ihrer Berufsehre und unterstreichen zugleich ihre Nützlichkeit für die Gesellschaft. Ob es gelingt?Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-25038258156676344162010-08-06T02:35:00.000-07:002010-08-06T02:37:16.698-07:00Grundwiderspruch: Briefwechsel mit einem FreundEin befreundeter Agnostiker schrieb: <br />Apropos: „Atheismus“. Das ist ein für mich philosophisch so oder so völlig unhaltbarer Begriff: „Sine-Theismus“ wäre schon viel besser. Was man nicht weiß, kann man auch nicht widerlegen. Höchstens leugnen, und das ist ja keine Erkenntniskategorie. Und „Sine Theismus“ schließt dann dankenswerterweise ja auch jeden Zwang zu einer Theodizee bei denen aus, die sich zu Recht gegen einen platten Atheismus verwahren. Wie kann ich schließlich per „Beweis“ abzufertigen versuchen, was immerhin für sehr viele Menschen zumindest denkbar erscheint. Sollen sie sich dann doch in jedem Kulturkreis ihr spezielles Bild von „Gott“ machen. Für unseren hat sich wohl Goethe (Pantheismus) am besten aus der Sache herausgewunden.<br />(Persönliche Anmerkung: Ich bin halt mit einem absolut „katholischen“ Gott aufgewachsen und entsprechend geprägt. Als mir dann – damal war ich 16 – unser Religionslehrer, ein durchaus freundlicher Kaplan, den Grundwiderspruch dieses Gottes – das bezieht nun aber auch den evangelischen Gott – nicht erklären konnte, habe ich mich umgehend von diesem Konstrukt verabschiedet. Meine Frage hatte gelautet: „Wenn Gott die Liebe ist und Gott alles geschaffen hat, dann hat er ja auch das Lieblose, das Böse geschaffen. Und offenbar nur zu dem Zweck, uns ‚frei’ entscheiden zu lassen – für ihn oder gegen ihn. Und weil wir es normalerweise nicht schaffen, ein gottgefälliges Leben zu führen, lässt er sich dann am Ende gnädig dazu herab, uns zu ‚erlösen’. Das ist hinterhältig, absolut hirnrissig und nicht nachvollziehbar. Mit so einem Gott kann ich nichts anfangen.“ – Na ja, Du ja offenbar auch nicht… Der Kaplan war entsprechend verdattert, denn mit dem AT wollte er mir jetzt ja auch nicht kommen, und was etwa eine Flucht ins Dialektische angeht: da war ich als Schüler eines altsprachlichen Gymnasiums schon von Platon verdorben; Hegel kam ja erst später…)<br />Mit agnostischem Gruss – <br />Re Mike Molsner:<br />Dein schon mit 16 gefundener Grundwiderspruch in unserer traditionellen Gottesvorstellung gibt allerersten Köpfen der Theologie zu denken, nicht nur dir und mir. Jedenfalls entnehme ich das einer eher beiläufigen Bemerkung des von mir bewunderten Theologen Ratzinger/Benedetto. Er spricht da, als wäre er für einen ausführlichen Kommentar noch nicht ganz gerüstet, schüchtern von der "sonderbaren Grausamkeit des alttestamentarischen Gottes" (ich zitiere nach dem Gedächtnis sinngemäss). Ich musste laut auflachen, wie öfters bei ihm, ich finde seine unbefangene Ehrlichkeit liebenswert und erheiternd, sogar auf sympathische Art komisch. Kurzum, ich mag ihn als Schriftsteller und finde ihn überaus anregend als Denker. <br />Der alttestamentarische Gott ist sogar von befremdlicher und uns heute abstossender Brutalität: Da sollen die Feinde Israels ratzebutz vernichtet werden, mit allen ihren Tieren und Ölbäumen (!!), und wer das nicht befolgt, den versenkt er in den Erdboden bis in die soundsovielte Generation. Das sind ja nun harte Worte. Etwas schwächlich - wie ich finde - deutet Ratzinger an, wo er die Lösung suchen wird, falls die verbleibenden Jahre ihm Zeit dazu lassen: Der mitwandernde Gott Abrahams sagt jeweils das, was die auf Wanderschaft befindliche Schar seiner Treuen eben noch begreift. Am Anfang war das Wort, das begreifen sie. Am Anfang war der Urknall, das hätte niemand kapiert. Kann ich nachvollziehen. <br />Nachvollziehbar auch, dass die Leute damals urige und blutrünstige Instinkte bewahrt hatten, bis in die elisabethanische Zeit reichte das. Vor kurzem erst prallte ich förmlich zurück vor Lytton Stracheys Schilderung der öffentlichen Hinrichtung eines zunächst sehr angesehenen jüdischen Arztes, der aus Spanien nach London zugezogen war. Die doch bewunderungswerte Elisabeth I. hat ihn als angeblichen Agenten Philipps II. zum Tod verurteilt auf Grund blosser Denunziation. Die Art der Hinrichtung ist es, deren Details heute schwer zu ertragen sind.<br />Strachey weist auf den bemerkenswerten Widerspruch hin, der darin liegt, dass gleichzeitig zarteste Empfindungen ausdrucksfähig waren: We are such stuff as dreams are made on, and our lttle life is rounded with a sleep - und die unzähligen anderen. <br />Seit ich Stracheys Elisbeth and Essex gelesen hab, ist mir erst klar, wie Shakespeare die unglaublich grausamen Königsdramen sozusagen daneben stellen konnte! Wieso ihm das emotionell überhaupt möglich war.<br />Mir scheint, "unser Papst" betont als Theologe stets die insgesamt eben doch kultivierende und zivilisatorische Leistung der christlich geprägten Tradition. Dass immer wieder heidnische Reste diese Tradition durchschiessen, und mit welch sadistischem Blutdurst gepaart, leugnet er nicht, und es betrübt ihn - während er unverdrossen auf die Fortschritte hinweist, die dennoch gemacht wurden und künftig möglich sein könnten.<br />Wichtig erscheint mir, und geradezu kulturwendend zumindest der Denkbarkeit nach, dass die Verurteilung Galileis ausdrücklich zurückgenommen wurde, und der Zusammenhang zwischen Glauben und Wissen für unverzichtbar erklärt. Ratzinger sagt klipp und klar: Ein Glauben, der der Vernunft widerspricht, muss (!!) absterben - während Vernunft ohne Glauben in Barbarei endet. Beides halte ich für historisch erwiesen und Ratzinger insofern für einen Meilenstein in der Kirchengeschichte, die ja doch auch Kulturgeschichte ist und nicht nur das Gegenteil: Geschichte von Kulturverhinderung; das wäre doch eher ein Verdikt im alttestamenarischen Ton, dessen unsereins sich entschlägt (wie TM zu sagen pflegte).<br />Aber das alles ist ja nur Geplauder, und dass ich ich so rede, verrät dir zunächst nur eins: Es fehlt mir an Gesprächspartnern - obgleich ich seit einiger Zeit hier einen gefunden hab; aber einer ist halt nicht genug ;-))<br />Kurzum, mir fehlt die intellektuelle Szene von 68-78 und hat nie aufgehört mir zu fehlen. Du hast dafür die Sonne, den Wein und die Oliven. Viel Freude damit!<br />mikeMikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-91545864160700640082010-07-18T00:17:00.000-07:002010-07-18T00:29:13.299-07:00Glaubwürdigkeit<meta equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8"><meta name="ProgId" content="Word.Document"><meta name="Generator" content="Microsoft Word 11"><meta name="Originator" content="Microsoft Word 11"><link rel="File-List" href="file:///C:%5CDOKUME%7E1%5CMolsner%5CLOKALE%7E1%5CTemp%5Cmsohtml1%5C01%5Cclip_filelist.xml"><!--[if gte mso 9]><xml> <w:worddocument> <w:view>Normal</w:View> <w:zoom>0</w:Zoom> <w:hyphenationzone>21</w:HyphenationZone> <w:punctuationkerning/> <w:validateagainstschemas/> <w:saveifxmlinvalid>false</w:SaveIfXMLInvalid> <w:ignoremixedcontent>false</w:IgnoreMixedContent> <w:alwaysshowplaceholdertext>false</w:AlwaysShowPlaceholderText> <w:compatibility> <w:breakwrappedtables/> <w:snaptogridincell/> <w:wraptextwithpunct/> <w:useasianbreakrules/> <w:dontgrowautofit/> </w:Compatibility> <w:browserlevel>MicrosoftInternetExplorer4</w:BrowserLevel> </w:WordDocument> </xml><![endif]--><!--[if gte mso 9]><xml> <w:latentstyles deflockedstate="false" latentstylecount="156"> </w:LatentStyles> </xml><![endif]--><style> <!-- /* Style Definitions */ p.MsoNormal, li.MsoNormal, div.MsoNormal {mso-style-parent:""; margin:0cm; margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:12.0pt; font-family:"Times New Roman"; mso-fareast-font-family:"Times New Roman";} @page Section1 {size:595.3pt 841.9pt; margin:70.9pt 70.9pt 2.0cm 70.9pt; mso-header-margin:35.45pt; mso-footer-margin:35.45pt; mso-paper-source:0;} div.Section1 {page:Section1;} --> </style><!--[if gte mso 10]> <style> /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin:0cm; mso-para-margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:10.0pt; font-family:"Times New Roman"; mso-ansi-language:#0400; mso-fareast-language:#0400; mso-bidi-language:#0400;} </style> <![endif]--> <p class="MsoNormal"><span style=";font-family:";font-size:100%;color:black;" >Auf Bayern alpha lief neulich ein Film über die Geschichte der Päpste. Der Moderator sagte (und ich stimme zu), die Verurteilung Galileis im 17. Jahrhundert sei Symbol geworden für den Bruch zwischen Glaube und Wissenschaft - dazu fiel mir ein:
<br />
<br />Johannes Paul II. hat mit seiner Zurücknahme der Verurteilung Galileis eine neue Epoche vatikanischer Lehre eingeleitet. Den Ernst seiner Absicht unterstrich er mit der Enzyklika Fides et Ratio. "Vernunft und Glaube" hat dann sein Nachfolger die "Regensburger Rede" betitelt und nannte eine seiner Enzykliken "Caritas in Veritate". Auf die Wahrheit kommt es an!
<br />
<br />Beide, sowohl Karol Wojtyla wie Josef Ratzinger, hatten in Jugend und Mannesalter einen persönlichen Eindruck von Nationalsozialismus und Stalinismus gewonnen: von fürchterlichen Konsequenzen einer Aufklärung nämlich, die sich von christlichen und humanistischen Prägungen abkoppelt.
<br />
<br />Über die haarsträubenden Konsequenzen eines Glaubens, der sich von der Vernunft abkoppelt, waren sie durch die Kirchengeschichte belehrt.
<br />
<br />Beide miteinander, Johannes Paul II. und sein Nachfolger Benedikt XVI., haben eine Epochenwende in der katholischen Lehre eingeleitet - nicht schon herbei geführt, aber mit allem Nachdruck begonnen! Ein enormer Modernisierungsschub geht seither von Rom aus. Niemand scheint das so recht zu beachten! Als lesender Christ frage ich nach den Gründen!
<br />
<br />Seit 1500 Jahren ist es Kirchenlehre, dass das Wort Fleisch geworden ist. Gott war unter uns in einem Menschenkörper. Dass er sich unseren Freuden und Leiden, unserer Schuldfähigkeit sogar ausgesetzt hat, scheint mir das gewaltige Herz der christlichen Lehre zu sein. "Ich bin bei euch".
<br />
<br />Menschenkörper sind mit Triebanlagen ausgestattet, die wir zu kultivieren haben. Sie gar nicht zu leben ist unmöglich. Auch Gottes Sohn, während er als Mensch unsereiner sein wollte und es tatsächlich war, musste mit seinen Triebanlagen kultivierend umgehen, sie "bewältigen". Wie hat er seine Sexualität bewältigt?
<br />
<br />Die Evangelisten schweigen sich darüber aus. Es könnte mehrere Gründe haben. Heutzutage aber erweist es sich als unheilvoll, dass die Kirche Jesu Sexualität niemals erwähnt und dieses Thema nicht berührt. Man könnte auch sagen, davor zurückschreckt. Kann es sein, dass die Kirche einen undurchschauten Rest gnostischer Irrlehre mit sich herumschleppt?
<br />
<br />Das Wort ist Fleisch geworden, kein Strahlenmännchen, keineswegs blosse Aura. So jedenfalls verstehe ich die Konzilien seit Nicäa.
<br />
<br />Ich will keine neue Theologie oder gar Häresie begründen, dazu habe ich als Laie nicht die Vorbildung. Aber ich möchte als lesender und denkender Christ die Diskussion über solche Themen anstossen.
<br />
<br />Ich bin der Meinung, die von mir angesprochenen Themen: Evolution (Darwin) und Psychologie (von Freud an), sowie Ethologie (Lorenz, Eibesfeldt) drängen uns Fragen auf, denen auszuweichen nur um den Preis der Glaubwürdigkeit gelingt - also misslingen müsste.
<br />
<br />Es würde träge gewordene Gläubige wie ratlose Glaubenwollende mit einem Schlag ins lebhafteste Gespräch miteinander bringen - stimmts?<o:p></o:p></span></p> <p class="MsoNormal"><span style=";font-family:";font-size:100%;color:black;" ><o:p> </o:p></span></p> <p class="MsoNormal"><span style="font-size:100%;"><o:p> </o:p></span></p> Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-67200595265263047142010-02-02T00:27:00.000-08:002010-02-02T00:41:10.871-08:00Unser Papst<meta equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8"><meta name="ProgId" content="Word.Document"><meta name="Generator" content="Microsoft Word 11"><meta name="Originator" content="Microsoft Word 11"><link rel="File-List" href="file:///C:%5CDOKUME%7E1%5CMolsner%5CLOKALE%7E1%5CTemp%5Cmsohtml1%5C01%5Cclip_filelist.xml"><!--[if gte mso 9]><xml> <w:worddocument> <w:view>Normal</w:View> <w:zoom>0</w:Zoom> <w:hyphenationzone>21</w:HyphenationZone> <w:punctuationkerning/> <w:validateagainstschemas/> <w:saveifxmlinvalid>false</w:SaveIfXMLInvalid> <w:ignoremixedcontent>false</w:IgnoreMixedContent> <w:alwaysshowplaceholdertext>false</w:AlwaysShowPlaceholderText> <w:compatibility> <w:breakwrappedtables/> <w:snaptogridincell/> <w:wraptextwithpunct/> <w:useasianbreakrules/> <w:dontgrowautofit/> </w:Compatibility> <w:browserlevel>MicrosoftInternetExplorer4</w:BrowserLevel> </w:WordDocument> </xml><![endif]--><!--[if gte mso 9]><xml> <w:latentstyles deflockedstate="false" latentstylecount="156"> </w:LatentStyles> </xml><![endif]--><style> <!-- /* Font Definitions */ @font-face {font-family:"Bookman Old Style"; 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Weshalb? Gefühl der Heimkehr. Er drückte mich an sich, stehen bleibend drückte er meinen Kopf an seinen Körper. Eine väterliche Geste: Ja, komm heim.<o:p></o:p></font></p> <p class="MsoNormal" style=""><font style="">Ich stand dann natürlich auf und sagte lachend: Eigentlich mag ich Sie ja vor allem als Kollegen: als Autor! Ich hab alles oder fast alles von Ihnen gelesen. Da strahlte er, hörte es gern – wie wir Autoren sind.<o:p></o:p></font></p> <p class="MsoNormal" style=""><font style="">Ich war dann bei einem Klassentreffen von ihm dabei, sass mit an der langen U-förmigen Tafel. Fühlte mich freundlich einbezogen – allerdings wurde lateinisch gesprochen. Ja natürlich, dachte oder fühlte ich etwa, die sind alle firm in Latein. Da wachte ich auf, ohne Bedauern, es war ein schöner und freundlicher Traum.<o:p></o:p></font></p> <p class="MsoNormal" style="">Tatsächlich ist es so, dass „unser“ Papst mein persönlicher Man of the Year ist (auf dem Cover des Time Magazine hab ich Ben Bernanke als solchen erblickt und ungläubig gestaunt und diese Nummer <i style="">nicht</i> gekauft, aus Trotz).</p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Meine Bekanntschaft mit der Theologie Ratzingers/ Benedettos hat sich scheinbar zufällig ergeben. Meine Frau und ich waren in Kaiserswerth am Rhein spazieren und haben der schönen Kirche St. Suitbertus einen kurzen Besuch abgestattet. Und da stand neben vielen nichtsnutzigen Broschüren (einem Katechismus, der ausserehelichen Sex, in jeder Form und jedem Lebensalter, als Sünde bezeichnet!) die Enzyklika spe salvi. Kostete 1 Euro. Na, ich hab meine Münze eingeworfen und das Ding mitgenommen und irgendwann zuhaus zu lesen begonnen, eingestellt auf Grimm und Widerspruch. Was ich las, hatte ich wirklich nicht erwartet. Da sprach ein hochgebildeter, lieber, guter und für Vernunft offener Mensch zu mir. </p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Inzwischen hab ich alles von ihm gelesen – und warum komme ich auf die Idee, Ihnen das zu erzählen? Ich staune manches Mal, wenn ich denke, wie folgerichtig meine Entwicklung sich mir heute darstellt. </p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">In meinem ersten Roman <i style="">Und dann hab ich geschossen</i> der Wutschrei gegen die barbarisch gepredigte Religion in Aalen/Württemberg; Salvator- und Marienkirche boten nun wirklich keinerlei Inspiration, keinerlei emotionelle Heimat – im Gegenteil, das war so fremd wie furchterregend und unheimlich. Niemand ausserhalb des Klerus hatte mich oder meinen geliebten „Opa“, meinen damals einzigen Halt im Leben, je mit ewigem Feuer bedroht.</p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Dann die Auseinandersetzung in dem Roman <i style="">Eine kleine Kraft</i>, jetzt setzte ich mich als Erwachsener „sine ira et studio“ mit dem Problem auseinander, das nicht vergessen, bis dahin aber in den Hintergrund gedrängt worden war. Kaplan Danscher von St. Ludwig bot viele Anregungen.</p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Als dritte Station mein Drehbuch für den Film <i style="">Oh du Fröhliche</i>, in dem das Christkind, stellvertretend für jedes Kind, als unverzichtbare Hoffnung dargestellt ist, weil es – wer weiss – einmal unsere Probleme lösen wird.</p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Aber was blieb, ist eine mir zunächst unüberbrückbar gewesene Kluft zwischen aufgeklärter Vernunft und der Notwendigkeit sittlich-transzendentaler Bindung. Diese Kluft hat die Theologie Ratzingers wie selbstverständlich überbrückt. Fides et ratio von Johannes Paul II. übrigens hatte das nicht geleistet, nicht für mich! Diese Sammlung von Bibelzitaten fand ich unlesbar und ermüdend. Meine Reaktion darauf: Dass Woityla seine Bibel kennt, hätte ich ihm auch ohne die Enzyklika geglaubt.</p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Ganz anders Ratzinger. Der kann erzählen! Der ist gescheit! Die Verschmelzung – kann man fast sagen – des griechischen Philosophengotts (wie Plato ihn definiert) mit der geschichtsmächtigen, mitwandernden Gottheit Abrahams war mir nie klar geworden. Darüber hat nie jemand im schwarzen Rock gesprochen – nicht mit mir. Bis zu der ganz unerhörten Formulierung Ratzingers, dass der Gott des Seins am Anfang steht und der Gott der Geschichte am Ende – da bleibt einem ja für einen Moment das Herz stehen: Es ist die Versöhnung von Sein und Zeit, die Heidegger <i style="">nicht </i>gepackt hat! </p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Ich sehe Sie lächeln, nicht ohne Nachsicht, weil ich gar so begeistert bin. Und ich muss ja auch selbst über mich lachen. Als ich etwa fünfzehn war, stürmte ich mal aus meinem kleinen Zimmer in Mü-Bogenhausen, Neue Heimat, zu meiner Mutter in die Küche: Du, ich hab ein unglaublich gutes Stück gelesen, ergreifend und komisch und alles! Sie liess den Kochlöffel fahren: Was für ein Stück?! Ich sagte: Hamlet von<font style=""> </font>Shakespeare. – Da nahm sie den Kochlöffel wieder in die Hand. Ach so, naja, weisst du, das ist nicht so neu, wie du es jetzt empfindest. </p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Gerade weil ich so tief beeindruckt bin, muss ich mich manches Mal wundern, wenn ich sehe, an welche Themen der grosse Denkertheologe sich <i style="">nicht</i> recht herantraut. An einer wunderbaren Stelle definiert er die Erbsünde: Niemand lebe von<font style=""> </font>Null an, keiner beginne unversehrt von der Geschichte.</p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Wenn er jetzt noch einen einzigen Schritt weiterginge und zugäbe, dass keiner sein Leben unversehrt von seiner <i style="">persönlichen</i> Geschichte und seinem <i style="">persönlichen </i>kulturellen Umfeld beginnt – dann wär er bei, drei Kreuze, der Tiefenpsychologie. Der Name Freud taucht beim grossen Mann immer nur beiläufig auf, und dann schiebt er ihn eher weg, als dass er ihn an sich heranliesse. Kann dahinter auch – unter anderm, versteht sich – die Rivalität des „Hirten“ stehen, der seine Schäflein allein weiden und keinen andern Aufpasser dulden will? </p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Was ist der Theologe? Der Theologe ist ein Mensch! Damit bin ich bei der andern Schwachstelle des Bewunderten, der uns angeborenen animalischen Ausstattung, zu der ja auch das sogenannte Böse gehört: Aggression, Rivalität. Dass der homo sapiens ein Seitenzweig der Primaten ist, die wiederum eine hohe (komplexe) Entwicklungsstufe im Tierreich darstellen, dürfte seit Darwin und den vielen Biologen, die seine Beobachtungen überprüft haben, nicht mehr bestreitbar sein. Doch auch der Name Darwin wird vom bedeutendsten meiner diesjährigen Inspiratoren kaum erwähnt, und wenn, dann abtuend. </p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Es wäre nicht nötig! Dass die Genesis Bilder erzählt und nicht die buchstäbliche Wahrheit, ist ausser den wiedergeborenen Evangelikalen jedem Christen klar. Nimmt man nun das, was dort steht, bildlich, dann sagt die Bibel in ihren Bildern, was Darwin als Wissenschaftler formuliert: Wir waren Tiere, bevor wir Menschen wurden. Zunächst hatten wir keine Erkenntnis von Gut und Böse, kein Bewusstsein unserer Verantwortung für Entscheidungen, nicht einmal Freiheit zu entscheiden, und damit keine Schuldfähigkeit. </p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Ohne Schuld wie die Tiere lebten die ersten, die Vor-Menschen. Ohne Erkenntnis ihrer Optionen.</p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Dass es eine Verkörperung böser List ist (die Schlange), die uns zum Bewusstsein unserer selbst bringt, und nicht etwa Gott uns die Vernunft schenkt, der sogar davor warnt – erscheint sehr verständlich. Schuldfähig geworden, werden die Menschen dann bald tatsächlich schuldig, und das ist nicht schön. Gott warnt zu Recht. Und doch hat er Eva die Freiheit gelassen, den Apfel zu pflücken und zu reichen, und Adam die Freiheit, zu akzeptieren. </p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Dass wir Tiere waren, bevor wir Menschen wurden, ist der Kern der Darwinschen Hypothese, die zu den bestbelegten der Moderne gehört. Genau das steht schon in der Genesis.</p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Der Glaube stirbt, wenn er mit der Vernunft nicht mehr vereinbar ist. So starb der Glaube an die griechischen Naturgottgewalten, nachdem Plato ihn widerlegt hatte. Sagt Ratzinger, ich referiere nur. So wird auch christliches Leben in Gewohnheit und Routine absinken, warnt er, falls Vernunft das Kriterium nicht mehr ist, das den Glauben reinigt. </p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Bis vor kurzem haben Menschen, und was für welche, keine besonders Frommen übrigens, ihr Leben für christliche Werte eingesetzt. Die bedeutenden Widerstandskämpfer gegen Hitler haben sich, als sie vor die letzte Entscheidung gestellt waren, auf den orientiert, dessen 2009. Geburtstag wir kürzlich gefeiert haben. Wer Abendländler ist, wird das nicht leichthin verloren geben, nicht für Fun Fun Fun und Shoppen ohne Ende und Karneval pur und bunte Designergötter vom nächsten Kiosk.</p> <p class="MsoNormal" style=""><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal" style="">Jetzt kann ich nur hoffen, dass Sie diesen langen Schrieb interessanter finden als vor zu vielen Jahren meine Mutter die Meldung von mir, dass Shakespeare mit dem Hamlet ein wunderbares Stück gelungen ist. </p> <p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p> <p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p> Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-91515384099105911722009-08-03T23:34:00.000-07:002009-08-03T23:47:26.800-07:00HamsterradSpitzenplatz im Hamsterrad - so lautete am Samstag, 1. August, eine Schlagzeile auf der Titelseite der NRZ (Neue RuhrZeitung). Gemeint ist, dass die Deutschen pro Woche mehr Stunden arbeiten als ihre Kollegen in vergleichbaren EU-Ländern.<br /><br />Ich erinnere mich, dass es einmal so etwas gegeben haben muss wie den Stolz, durch eigene Arbeit zum Reproduktionsprozess der Gesellschaft beizutragen.<br /><br />Das ist Vergangenheit. Wo Manager Millionen an Boni kassieren, die der Steuerzahler zuschiessen musste, fühlen schwer arbeitende Menschen sich als die Dummen. Sie schuften im Hamsterrad. Worauf sollten sie stolz sein? Dass sie zu blöd sind, um durch Zynismus reich zu werden?<br /><br />Ein Manager hat Karstadt-Quelle ruiniert. Es ist ihm bestens bekommen, Luxusyacht, Luxusvilla. Seine "Mitarbeiter" bangen um ihren Platz im Hamsterrad. Stolz sind die nicht auf sich. Ich weiss es, ich hab etliche gefragt.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-48473682499780661272009-06-22T07:38:00.000-07:002009-06-22T22:17:00.602-07:00Die Bibel und ihre Gestalten: Unsereiner<span style="font-weight: bold;">Der Weg</span>. Die ganze Welt weiss, wohin der Weg führte: zur Hinrichtungsstätte. Es wäre voraussehbar gewesen. Der hochbegabte junge Prediger hätte sich mit der im Land herrschenden Geistlichkeit, den Pharisäern, arrangieren können, wie Saulus aus Tarsus es zunächst tat. Er wäre der Monarchie unauffällig geblieben. Die Kolonialmacht Rom hätte ihn mindestens geduldet. Statt dessen hat der eloquente junge Theologe sich unter Umgehung der „Organe“ ans Volk gewandt.<br /><br />Es konnte nicht ausbleiben, dass die machthabenden Interessengruppen alarmiert waren. Die Beteuerung, sein Reich sei nicht von dieser Welt, mochten sie glauben oder nicht. Klüger im Sinne der Machterhaltung war es jedenfalls, von Tatsachen auszugehen, und Tatsache war, dass viel Volk dem Wanderprediger zuströmte.<br /><br />Einem Populisten abzunehmen, er sei nicht auf Machtergreifung aus, ist riskant. Herrschaftserfahrung denkt an den worst case, Verlust der Macht. Das ist nur klug.<br /><br />Um den Demagogen auszuschalten, bevor er gefährlich werden konnte, tötete man ihn und wiederlegte gleichzeitig seine Behauptung, er könne die Welt erlösen. Am Kreuz hängend war die Botschaft, die von ihm ausging – von seiner Leiche – klar und aller Welt verständlich: Der junge Mann hatte sich übernommen. Nicht einmal sich selbst konnte er retten, die Welt dann schon gar nicht. Das alles würde in zwei Wochen vergessen sein. So die Schlussfolgerung. Keine andere erschien glaubhaft, oder auch nur möglich. <br /><br /><span style="font-weight: bold;">Die Wahrheit</span>. Man muss kein Jude sein, um sich mit Gott zu verbünden. Kein Römer, um Anspruch auf Bürgerrecht zu erheben. Einmal ausgesprochen, leuchtete diese Botschaft unmittelbar ein. Sie war, nach Jeffersons schönem Wort, self-evident. Bedurfte keines Beweises. Der Glaube daran genügte, er wurde gespeist von einer inneren Gewissheit, die durch keine Bedrohung zu erschüttern und nicht wieder aus der Welt zu schaffen war.<br /><br /><span style="font-weight: bold;">Das Leben</span>. Er habe den Tod besiegt, heisst es. Hat er nicht? Tennessee Williams soll gesagt haben, das Gegenteil von Tod sei Begierde. So behauptet Woody Allen, der ewige Jüngling. Man kann Leben aber auch anders definieren als Woody.<br /><br />Lebendig sind diejenigen, die uns prägen, unsere Lebensführung beeinflussen oder gar bestimmen, mindestens mitbestimmen. Will jemand behaupten, Vincent van Gogh sei tot? Seine Persönlichkeit ist uns erst nach seinem Körpertod wichtig geworden. Und wie ist es mit Anne Frank? Wenn ich ins nahe Krefeld fahre, parke ich in der Tiefgarage am Anne-Frank-Platz. Bei Fahrten nach Holland hinüber passiere ich nahe der Grenze einen Anne-Frank-Weg. Mit meiner Frau besuchte ich vor kurzem die Anne-Fank-Gedenkstätte in Duisburg. Rechtsradikale – hiess es – hätten den schwarzen Marmor verätzt. Wir legten eine Rose nieder. Anne ist „mitten unter uns“, auch sie.<br /><br />Nicht von dieser Welt. Als Charles de Gaulle die versprengten Reste einer besiegten Armee vom Londoner Exil aus unter seinen Befehl rief, tat er es für La France éternelle. Für das ewige, das unzerstörbare, das ideelle Frankreich. Was damit gemeint war, wusste jeder. Das stets mögliche Frankreich. Es ist nicht irreal, nur weil es im Moment (noch) nicht existiert. De Gaulle ruft zum Kampf dafür auf und gibt damit der sich langsam um ihn sammelnden Schar eine Richtung, eine Losung, eine Fahne.<br /><br />L’humanité éternelle ist kein geringeres Ziel. Wie es erreicht werden soll, weiss kein Mensch. Immer fehlt es an irgend etwas. Wie es de Gaulle an Soldaten fehlte, und an Geld, und an Reputation (zunächst): Der selbsternannte Befehlshaber hatte im Exil nichts zu bieten als den festen Glauben. Das reichte, damit hat er gesiegt. Damit und mit seiner Zuversicht. Seine erste Ansprache über das Londoner Studio der BBC beendete er mit den Worten: Nous ne sont pas seul – die er drei Mal sprach. Wir sind nicht allein. Wir sind nicht allein. Wir sind nicht allein. Der Mitschnitt ist vernichtet worden. Niemand bei BBC hielt den obskuren Franzosen für wichtig. Er war besiegt.<br /><br />Besiegt war auch Stauffenberg, als ihn die tödlichen Kugeln trafen. Er hatte noch ausrufen können: Es lebe das heilige Deutschland! Ein Phantast ... Oder vielleicht doch realistischer als seine Gegner? Wessen Name wird noch genannt, wessen Leben beeinflusst unseres und prägt es mit?Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-85270350473035891192009-06-18T01:00:00.000-07:002009-06-18T01:36:39.695-07:00Die Bibel und ihre Gestalten: St. Joseph: VaterWas bietet ein guter Vater? Schutz des heranwachsenden Lebens. Die Kirche St. Joseph in Duisburg-Wedau scheint, nach Anschlägen in ihren Schaukästen zu urteilen, darunter vor allem Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen zu verstehen. Die Vorstellung, Jesus von Nazareth wäre "abgetrieben" worden, hat in der Tat etwas Teuflisches. Dass alle Menschen "Gotteskinder" sind oder werden könnten, würde man ihre Geburt nicht verhindern, erscheint hingegen sinnvoll und human - andererseits gibt es und gab es in allen Gesellschaften, die wir kennen, Familienplanung. Und wenn junge Frauen auf sexueller Selbstbestimmung bestehen, heisst das noch nicht, dass sie Schwangerschaftsabbrüche befürworten. Sie wollen die Wahl haben. Nicht jede Schwängerung wird von einem Engel angekündigt.<br /><br />Es scheint eine Aporie vorzuliegen, ein mit den Mitteln der Logik nicht auflösbarer Widerspruch.<br /><br />Hier könnte die Radbruchsche Regel eine Hilfe sein. Gustav Radbruch war aktiver Jurist und Rechtsphilosoph. Er hat drei Grundsätze aufgestellt, die mit höchstrichterlicher Billigung bei uns in so widersprüchlichen (Rechts-)Fällen anzuwenden sind. Erstens: Rechtssicherheit ist die Voraussetzung allen zivilisierten Gemeinschaftslebens; deshalb ist das positive geschriebene Recht (hier: das von der massgebenden kirchlichen Autorität gesetzte strikte Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen) als verbindlich zu akzeptieren. Zweitens: Dieses Prinzip muss in verständiger Weise ausgelegt werden, sonst kommt Unsinn heraus - wie das Beispiel Michael Kohlhaas zeigt, der auf seinem Recht besteht und auch Recht bekommt und trotzdem nicht "richtig" handelt. Drittens: Gesetztes Recht, das offenkundig nicht Gerechtigkeit will, sondern Ungerechtigkeit, ist gar kein Recht.<br /><br />Mit dem moralischen Gebot, werdendem Leben mütterlichen und väterlichen Schutz zu bieten, muss verständig umgegangen werden. Sonst kommt dabei heraus, dass jungen Leuten, die Pech gehabt haben, eine Vorschrift gemacht wird, die sie erdrückt. "Papa don't preach" singt Madonna. Barsch verabreichte Prinzipien sind weder hilfreich - noch gerecht. In diesem Zusammenhang weise ich auf www.Priesterkinder.com hin. Man kann sich da in eine Unterschriftenliste eintragen, die für die Kinder katholischer Priester eine Gleichstellung mit anderen Kindern einfordert.<br /><br />Zum Schluss möchte ich sagen, dass ich St. Joseph als die Verkörperung beschützender Väterlichkeit für eine bedeutende Gestalt halte. Ich bewundere und ehre ihn.<br />Stünde er in dem hohen Ansehen, das er verdient, so hätten die Raubkapitalisten gezögert, sich das Vermögen ihrer Kunden anzueignen. Sie haben Väterlichkeit für - uncool gehalten.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-23197869664235576372009-06-16T00:39:00.001-07:002009-06-16T00:42:05.768-07:00Generation Nix - Brief an einen WeggefährtenLieber H.,<br /><br />"Wer die Geschichte kennt, versteht die Gegenwart und kann die Zukunft meistern." Das lese ich auf eurer Homepage. Hatte ich auch immer geglaubt, bin aber im Moment etwas orientierungslos. Ernst Blochs Anregung folgend, suche ich in der Gegenwart nach Tendenzen, die zu unterstützen sich lohnen würde, und finde keine. Das Proletariat war für Bloch, wie für alle Marxisten, der Hebel, mit dem sich die Tür zur Zukunft aufstemmen lässt. Aber aktuell sind die Proletariate der entwickelten Länder in die Defensive gedrängt. Auch eure Homepage klingt defensiv: gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus usf. - okay. Das unterschreibt jeder anständige Mensch. Aber wofür könnte man sich einsetzen? Die transatlantischen und transpazifischen Megacities stecken sicherlich voller Explosivstoff. Aber es sind keine klassenbewussten Arbeiterschaften, die da auf ihre/ unsere Stunde warten, es ist "Lumpenproletariat" (Marx), und sehr gefährlich.<br /><br />Die Zukunft erscheint mir - im Moment - ziemlich düster. Politisch betätigen will ich mich und frage nicht: wogegen, sondern: wofür? Mit wem?<br />Nun sagt ja irgendein kluger Mensch, wenn man nicht weiss, was man tun und wo man anpacken kann, soll man einfach abwarten, bis man klarer sieht. Ist allerdings nicht sehr kurzweilig :-(.<br /><br />In diesem Zusammenhang ist die Titelstory des aktuellen SPIEGEL erhellend - oder eben nicht. Da wird danach gefragt, was die 20-35jährigen als Generation verbindet. Antwort: nichts. Es ist eine Generation von Gleichen, gemeinsam haben sie das Internet, und vor ihren Bildschirmen hocken sie als Vereinzelte. Entsolidarisierung ist der Befund des SPIEGEL.<br /><br />Im Allgäu lohnte es sich, für die SPD zu kämpfen, das war die vorderste Front der Aufklärung. Hier im Ruhrgebiet sehe ich keine solche Front.<br /><br />Schau dir, wenn du Lust und Zeit hast, meine Blog-Beiträge an. Ich blogge erst seit wenigen Tagen! Kommentare sind erwünscht!! Tragen zur Belebung bei.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3789557531406875914.post-87001688904934349722009-06-13T02:59:00.000-07:002009-06-13T03:24:32.385-07:00Parteien und ihre ApparateMeine Partei hat bei den Europawahlen nicht zugelegt. Sie ist enttäuscht. Die führenden Kräfte sagen: Jetzt heisst es Ärmel aufkrempeln! Jetzt wird in die Hände gespuckt. Wir müssen jetzt noch mehr auf die Wähler zugehen.<br /><br />Auf die Wähler irgendwie zugegangen sind sie aber seit Jahrzehnten nicht mehr. Besonders bei Europawahlen, aber auch bei allen anderen Wahlgängen, ist eines offensichtlich: Niemand ist den Führenden meiner Partei so fremd und so egal wie die Wähler oder - wie sie gern sagen - die Wählerinnen und Wähler.<br /><br />Wichtig ist der Apparat. Wer dazu gehört, wird bei jeder Wahl auf einen vorderen Listenplatz gehievt. Es können Menschen sein, die dem Wählervolk so unbekannt sind wie Martin Schulz, Spitzenkandidat der SPD bei der Europawahl. Würden Sie ihn auf der Strasse erkennen, wenn er vorbei ginge? Ich nicht. Meine Frau auch nicht. Von meinen Bekannten nicht einer. Aber der Bundesvorsitzende sagte nach der Wahlschlappe, Martin Schulz habe hervorragende Arbeit geleistet.<br /><br />Es ist der Apparatismus, der so bizarre Vorgänge zeitigt. Zu jeder xbeliebigen Wahl wird aufgestellt, wer eine parteiinterne oder parteinahe Organisation hinter sich hat. Sagen wir, die Gewerkschaftsbosse des Bezirks. Sie setzen ihren Kandidaten durch. Ungefähr seit 1985 möglichst eine Frau. Diese Frau muss allerdings von der Parteibasis bestätigt werden, den Ortsvereinen. Sie besucht deshalb alle Ortsvereinsversammlungen, die meist langweilig sind, spricht dort im Sinne der Gewerkschaft und vertritt deren Interessen, und singt Lieder zur Klampfe. Dem Wählervolk bleibt sie unbekannt, doch die Wähler haben keinen Einfluss auf die Besetzung der vorderen Listenplätze.<br /><br />Wichtig ist ausserdem, dass diese Frau guten Kontakt hält zur nächsthöheren Führungsebene - in der Regel wieder eine Frau mit bestimmten Machtinteressen. Gelingt das, hat unsere Kandidatin es geschafft. Empfohlen von der - sagen wir - Landesvorsitzenden, unterstützt von der Gewerkschaft des Bezirks, und bestätigt von den Ortsvereinen, weil sie so nett Klampfe spielt und dazu singt, landet sie auf einem "sicheren" Listenplatz und rückt ins Parlament ein.<br /><br />Das Wählervolk fragt sich ratlos, wer diese Frau sein mag und wofür sie steht. Gesehen oder kennengelernt hat die Öffentlichkeit sie nur als Gesicht auf einem Plakat mit einem Namen, den man vergessen hat.<br /><br />Leider hat die Partei auf diese Weise wieder Wähler verloren. Macht nichts: Jetzt heisst es Ärmel aufkrempeln, in die Hände spucken und auf den Wähler zugehen. Hausbesuche? Obama zum Vorbild nehmen und das Internet endlich intensiver nutzen? Es gibt viele Möglichkeiten. Nur eine Möglichkeit gibt es nicht: die tödliche Krankheit des Apparatismus zu heilen. Der Apparat ist dagegen. Er hat hervorragende Arbeit geleistet.Mikehttp://www.blogger.com/profile/10493449114242919959noreply@blogger.com1