Warum greifen atheistische Eiferer gläubige Christen mit solch vehementer Wut an, wie zuletzt beim Papstbesuch in England zu beobachten? Auf diese interessante Frage stiess ich im Blog eines katholischen Ordensmannes. Als plausible Antwort fiel mir ein:
Der Atheismus bekennt sich zu einem telos, einem Endziel, wie auch seine verhassten christlichen Gegner. Bei den Atheisten ist es das Paradies auf Erden. Imagine there’s no Heaven, and no relegion too, singt John Lennon; er glaubt (es ist ein Glaube), dass Menschen ohne Religion endlich in Frieden zusammenleben werden.
Stalin hat uns eben dieses Endziel, das Paradies auf Erden, versprochen. Mit den bekannten, sehr irdischen Konsequenzen. Stalin verstand sich als Atheist.
Hitler war kein Atheist, er hing einer Variante des Neuheidentums an. Endziel des Neuheiden Hitler war nicht das Paradies auf Erden, sondern die Wiederherstellung eines Naturzustands, wie er ihn verstand. Eine Art Hölle auf Erden: Jede Generation stählt und reinigt sich durch ein Blutbad, einen Krieg. Der Starke unterjocht den Schwachen, merzt ihn aus. Grausamkeit ist eine Tugend, Mitleid wäre Schwäche.
Neuheidentum und Atheismus werden oft gleichgesetzt. Das ist nicht ganz richtig. Hitlers Telos der Hölle auf Erden ist Stalins Telos eines Paradieses auf Erden entgegengesetzt. Nur die Konsequenzen waren weniger unterschiedlich. Anhänger beider und anderer Richtungen haben sich in Straf- und Vernichtungslagern unverdrossen weiterhin bekämpft: Hähne, die noch auf dem Weg zum Schlachthof wütend aufeinander einhackten – lesen wir bei Ernst Bloch. Falls wir Ernst Bloch noch lesen.
Das Paradies auf Erden zu versprechen, heisst den Mund wohl zu voll nehmen. Uns aufs Jenseits zu vertrösten, kann das letzte Wort aber auch nicht sein. Der vermittelnde Denker-Theologe im Vatikan, „unser Papst“ Benedikt XVI., hat bereits vor Jahrzehnten in seiner Habilitationsschrift dargelegt, dass katholische Theologie seit dem 13. Jahrhundert die Erde als eine uns anvertraute, von uns zu hütende Heimstatt begreift. Die bewegenden Schlusszeilen seiner Habilitation handeln davon. Wie umstritten noch so einleuchtende Theologie sein kann! Zwei Drittel der Habilitationsarbeit des jungen Joseph Ratzinger über den Heiligen Bonifatius wurde von der zuständigen Münchener Fakultät abgelehnt, weil ein Professor sich in seiner Eitelkeit gekränkt fühlte. Die zurückgezogenen 300 Seiten konnten bis heute nicht erscheinen!
Rivalität zwischen Theologen. Kampf zwischen Glaubensrichtungen. Krieg zwischen Religionen. Sie sind untereinander wie die Wölfe, sagte Hans-Jürgen Krahl. Die Lösung wäre demnach nicht in einem anderen Glauben zu suchen, sondern im Verzicht darauf, den Wahrheitsanspruch, auf dem wir beharren, solange wir glauben, mit Rspektlosigkeit oder gar Gewalt zu vertreten. Das bedeutet die noch ausstehende Durchsetzung und nicht nur Anerkennung der Menschenrechte als oberster Instanz.
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