Samstag, 29. Oktober 2011

Gratulation zum Geburtstag

Wenn die Wahrheit gesucht wird, wie in der Kunst oder Literatur, dann ist nicht das zielführend, was von oben dekretiert wird! Ansprüche und Erwartungen sind Möglichkeiten für den Künstler, zu einem Auftrag zu kommen – aber Kunst entsteht nur dann, wenn er sein tatsächliches Erleben einbringen und es (innerhalb des Möglichen) frei verallgemeinern kann. In diesem Sinn hab ich heute ein paar Gratulationszeilen an Klaus Kamberger verfasst, der 71 geworden ist:

Wahrhaftiger Text entsteht nicht, wenn Erwartungen zynisch bedient oder Regeln befolgt werden, die ein Käfig sind; verständig genutzt werden sollten sie. Als wir westdeutschen Schriftsteller unsere Regeln von der Gruppe 47 und ihren Großkritikern bezogen, vom bürgerlichen Feuilleton also; und die Erwartungen von einem Publikum, das sich nach Rausch und Trauma im Dritten Reich lieber mit angelsächsischen Verbrechen beschäftigte als mit deutschen – da haben einige von uns Kriminalliteratur zu schreiben versucht, die diesseits des Bildungsbürgertums und seiner Stars, jenseits von Ablenkung spielte. In Taschenbüchern
haben wir privates Erleben, wie es sich in Gerichtssälen und Polizeirevieren spiegelte, veröffentlicht. Das wurde zunächst mit mehr Abwehr als Beifall aufgenommen. Der Spagat war auch schwierig. Die Unterhaltung sollte nicht im Ernst der Thematik untergehen, die Wiedererkennbarkeit nicht in Unterhaltung verflachen. Zu denen, die unsere Absicht verstanden und unterstützt haben, gehörte von Anfang an Klaus Kamberger, als Lektor zuerst, dann auch als Rezensent. Noch immer begleitet er unsere Wege. Heute wird er 71. Dank für vieles und herzliche Gratulation sendet, unverdrossenes Schaffen unterbrechend, einer der Gefährten.
Happy Birthday!

In diesem Zusammenhang ist mir aufgegangen, weshalb Benedikt XVI. keine Reformen „von oben“ dekretieren mag. Alles Verordnete wird zum Käfig. Freiheit der Entscheidung ist ein so wichtiges Gut, dass der Schöpfer – ich rede in Benedikt-Ratzingers theologischen Begriffen – sie um den Preis des Bösen erkauft und sogar der vormenschlichen Entwicklung Freiheit gelassen hat: um den Preis von Angst, Schmerz, Qual und Tod, einen unfassbar hohen Preis also.
Benedikt will nichts verordnen oder gar gebieten, auch nicht, was ihm richtig erscheint oder dem Publikum einleuchten würde. Dem Politbüro erschien es richtig, die Rolling Stones aus ihrer DDR auszusperren; der westdeutschen KP erschien es richtig, Arbeiterhelden im Roman zu fordern; unser Kaiser meinte, was er und seine Berater für Kunst hielten, sei es – und nannte Max Liebermann einen Gossenkünstler; alles Unsinn. Sie hielten für richtig, was falsch war, und wollten es per Verordnung und Gebot durchsetzen.
Was die Kirche alles erzwingen wollte an Falschem und Verkehrtem und sogar Entsetzlichem, ist ohnehin klar. Flammentod für soviele. Folter, Massenmord, Einschüchterung, Unterdrückung. Benedikt weiss: was er heute für richtig hält, muss es morgen nicht sein und kann übermorgen am Pranger stehn. Er will, dass wir unsere Freiheit nutzen: die Freiheit der Christenmenschen, von der Luther sprach. Recht hat der Papst und hatte auch der Reformator. Meint der Schriftsteller und Verfasser dieses Post.

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