Freitag, 5. Juni 2009

Unser Hund Bommi

Zuerst fällt mir immer der wilde Taumel der Begeisterung und des Entzückens ein, mit dem er mich begrüsst hat, wenn ich nur mal auf wenige Minuten im Ladengeschäft um die Ecke gewesen war und wieder heim kam. Er hatte innerhalb unseres Staketenzauns bereits nach mir ausgeschaut. Sobald ich ungefähr hundert Meter entfernt in sein Gesichtsfeld trat, stiess er weithin hörbare, helle Laute des Entzückens aus und richtete sich am Zaun auf, wobei er die Pfoten auf die Querstäbe legte und den herrlichen Kopf zwischen zwei Staketen schob, um mir näher zu sein. Diese Haltung gab er aber sofort wieder auf, fiel auf seine vier Pfoten zurück und raste innen am Zaun entlang bis ans äusserste Eck, wo ich ihn zuerst erreichen musste. Fiel wieder zurück, rannte zum Gartentor, richtete sich dort auf, um mich da zu erwarten, wo ich eintreten würde, und sprintete wieder an die äusserste Ecke. Es war ein wahrer Tanz, den er aufführte. Jedes Mal, wenn ich heim kam. Selbst wenn ich nur zehn Minuten weg gewesen war. Passanten blieben stehen, staunten, sagten: Ist der süüüüss!

Aber süss haben wir unseren Bommi nie genannt. Schön nannten wir ihn, und das war er: ein Bild von einem Berner Senn Mix - der Mix stammte von einem Border Collie und gab ihm das Aussehen etwa eines Australian Shepherd. 33 kg, Langhaar, dreifarbig.

Bevor ich durchs Gartentor trat, kraulte ich schon von aussen seinen schönen Kopf, tätschelte seinen weichen Pelz, und sprach mit ihm. Das liess er sich gefallen, bis ich das Gartentzor hinter mir geschlossen hatte - dann raste er im schnellstmöglichen Tempo hinters Haus auf die Wiese, wo sein Ball und seine zwei Stöcke lagen. Er nahm einen Stock zwischen die Zähne, wedelte mit dem Schweif und sah mich erwartungsvoll an. Das Spiel konnte beginnen ... Vielmehr, es konnte nicht beginnen, denn sowie ich mich darauf einlassen wollte und mich seinem Stock auch nur näherte, knurrte er, zeigte die Zähne, verteidigte den Stock.

Das konnte er nicht: spielen. Hat es nie gelernt. Wir schoben es auf die schwierigen ersten Wochen seines Lebens. Als Welpe liess man ihn tagsüber wochenlang allein. Davon war ihm ein Arghwohn geblieben, den er nie ganz überwinden konnte. Meine Frau und ich haben jeder einen mehrmonatigen Trainingskurs in einem angesehenen Hundeverein mit ihm absolviert, holten uns dann noch Rat bei einer Tierpsychologin - doch eine aggressionsbereite Distanz wahrte er bis zum Schluss auch uns gegenüber. Wir haben gelernt, das zu respektieren.

Fast zehn Jahre haben wir ihn begleitet. Er hatte nie Grund, an unserer Fürsorge und Liebe ernstlich zu zweifeln. Allein gelassen haben wir ihn nur zwei oder drei Mal, wenn wir beruflich ohne ihn einige Tage verreisen mussten. Dann brachten wir ihn solange in einer guten Tierpension unter. Dort war er stets brav, sagte man uns hinterher - was uns freute.

Einmal, er war erst ein Jahr alt, musste er operiert werden. Ein Hüftknochen produzierte einen Zapfen, der ihn beim Laufen schmerzte. Als wir ihn nach der Operation und der unvermeidlichen Rehazeit von zwei oder drei Tagen aus der Klinik abholten, und ein Tierarzt ihn zu uns ins Wartezimmer führte, geschah folgendes:

Der Hund riss sich mit derartiger Wucht los, dass der Arzt stolperte und vor Schreck die Leine losliess. Unser Bommi warf sich mit einem Hechtsprung der Länge nach an meine Brust. Ich geriet ins Wanken und weiss heute noch nicht, warum ich auf den Beinen blieb und nicht hinstürzte. Als ich ihn umarmt und begrüsst hatte und zum Auto führte, warf er sich mit gleicher Wucht auf seinen Platz, die Rückbank.

Ich will zu meinen Grossen. Ich will heim. Wir haben es wohl verstanden und nicht vergessen, auch nicht in schwierigen Augenblicken.

Eine Arthrose, die sich mit leichter Empfindlichkeit in einer Voprderpfote anmeldete, wurde auf ärztlichen Rat mit Medikamenten gemildert. Sie halfen zunächst. In den letzten Wochen verschlimmerte das Leiden sich rapid und griff auf die Hinterhand über. Schmerzmittel dämpften nicht ausreichend, er lag nachts wach, mochte tagsüber nicht mehr laufen, sich weder vom Haus noch, wenn man mit ihm kurze Strecken fuhr, vom Auto entfernen. Der behandelnde Tierarzt und eine Fachärztin, die wir zusätzlich hörten, gaben denselben Rat. Es war der, den Hundehalter so sehr fürchten.

Wir haben immer dafür gesorgt, dass ihm nichts fehlte. Und auch jetzt fehlt ihm nichts mehr. Nicht einmal wir.

Aber er fehlt uns. Und wie er uns fehlt. Schlafen wird er unter der Zeder hinterm Haus, wo er gern an heissen Tagen Schatten suchte und oft tief gegraben hat - wer weiss wonach. Wie sehr gern würde ich sagen: Du wartest jetzt auf uns in der himmlischen Tierpension, da holen wir dich ab - wie wir dich immer überall abgeholt haben. Aber es wäre sentimental. Unseren Bommi gibt es nicht mehr. So ist das.

Nein, es gibt niemand mehr, der vor Begeisterung und Entzücken ausser sich gerät, wenn wir auftauchen. Menschen sind kritisch, sie haben dieses oder jenes auszusetzen, wissen das und das besser. Unser Hund aber war mit uns zufrieden, ich wage zu behaupten: er durfte es sein - meistens. Was bleibt, ist sein Bild, das ich aufrufen kann, sind Szenen wie sein Begrüssungstanz - und viele andere unvergessliche Erlebnisse. Wir tragen sie als Erfahrung in uns. Wir vergessen nichts.

Danke für alles, Bommi.

1 Kommentar:

  1. Schon verwunderlich, wir Menschen behaupten von uns, dass wir im Gegensatz zu Tieren Lachen und Weinen können, die Tiere könnten das nicht. Trotzdem können Tiere ihre Emotionen manchmal viel direkter und offener zeigen als wir Menschen.

    Gruß

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