Sonntag, 9. Januar 2011

Kitsch und Kunst, Emotion nund Sentimentalität

Gestern in der Auslage eines Geschäfts für Kleinigkeiten sah ich eine offene Muschel, in der ein Knäblein schlief: Kitsch, das ist Niedliches ohne reale Existenz, kann sogar Schönheit sein, die keinen Realitätsbezug mehr hat.

Warum sind griechische Statuen schön und nicht etwa kitschig, obgleich es vollkommene Gestalten in der Wirklichkeit nicht gibt? Weil eine griechische Statue keine menschliche Gestalt meint, sondern eine göttliche. Der Marmor soll nicht die Wirklichkeit darstellen, sondern ein Ideal. Dieses Ideal allerdings hat sehr wohl Realität für den Griechen der Antike. Die Griechen lebten damals mit ihren Göttern und verehrten sie.

Van Gogh malt das Zimmer im Irrenhaus von St. Remis, in dem er Heilung von seiner Schizophrenie sucht. Für ihn ist dieses Zimmer real, die Schuhe einer Bäuerin sind es, Sonnenblumen, der drohende nächste Anfall, der sich in schwarzen Vögeln über einem goldenen Kornfeld ankündigt. Er malt nicht den Apoll, an den er nicht glaubt - auch keine Aphroditen, obgleich sie sich gut verkaufen würden, denn der Markt hängt am alten, am "klassischen" Schönheitsideal, und merkt nicht, dass es unwahr geworden ist. Nachgemachte Schönheit ist Kitsch. Nur Wahres ist schön.

Ähnlich ist es mit unseren Gefühlen. Wenn sie unwahr sind, nennen wir sie sentimental. Den Hurra-Patriotismus, der davon absieht, dass auch andere Völker Grosses geleistet haben. Das Schwelgen in Erinnerungen, die sortiert und absichtlich unvollständig sind. Schwärmerei ohne Rücksicht auf Konsequenzen.

Kunst will Wahrheit, Gefühl scheut sie nicht.
Kitsch vermeidet Wahrhaftigkeit, und Sentimentalität lügt bewusst.

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